Bildungsweg entscheidet sich in Österreich mit Volksschul-Übertritt
Wohin ein Kind in Österreich nach der Volksschule wechselt, wirkt sich stark auf den weiteren Bildungsweg aus. Unter jenen, die in die AHS-Unterstufe kommen und sie positiv abschließen, gehen danach 92 Prozent in eine Schule mit Maturaabschluss. Unter Mittelschul-Absolventen sind es nur 41 Prozent. Von den AHS-Maturantinnen und Maturanten gehen danach 84 Prozent an eine Hochschule, zeigt der am Dienstag vorgestellte Band "Bildung auf einen Blick" von Statistik Austria.
Diese Meldung wurde aktualisiert. Neu: Reaktionen FPÖ, WKÖ, IV.
"Die Zahlen belegen abermals, dass die Weichen der Bildungskarrieren in Österreich sehr früh gestellt werden", betonte Generaldirektor Tobias Thomas bei der Präsentation. Zuletzt (Schuljahr 2023/24) wechselten nach der Volksschule knapp 36 Prozent in eine AHS-Unterstufe. Im Vergleich zu 2021/22 ist das ein leichter Rückgang von zwei Prozentpunkten, was laut Regina Fuchs, Leiterin der Direktion Bevölkerung, u.a. an der geänderten Zusammensetzung der Schüler durch Zuwanderung der vergangene Jahre (u.a. nach dem Ukrainekrieg) liegt.
Während nach der AHS-Unterstufe mehr als neun von zehn entweder an die Oberstufe (59 Prozent) oder an eine berufsbildende höhere Schule (BHS) wechseln (33 Prozent), geht nach der Mittelschule ein relevanter Teil in nicht-maturaführende Schulen wie berufsbildende mittlere Schulen (BMS; 18) oder die Polytechnische Schule (22). Jene rund acht Prozent Schülerinnen und Schüler, die aus der Mittelschule an eine AHS-Oberstufe wechseln, tun sich dort schwerer: Sie brechen doppelt so oft ab wie jene, die davor eine AHS-Unterstufe abgeschlossen haben. Auch nach dem Gymnasium und der BHS gehen die Bildungswege oft unterschiedlich weiter: Nach der AHS-Matura schreiben sich innerhalb von drei Jahren deutlich mehr Personen an einer Hochschule ein als nach einer BHS-Matura (84 gegenüber 51 Prozent).
Nur 44 Prozent sehen Lehrerausbildung als gute Berufsvorbereitung
Von jenen, die sich an einer Uni inskribieren, schaffen innerhalb von zehn Jahren 65 Prozent einen Studienabschluss. Die Zufriedenheit mit den Hochschulausbildungen ist dabei insgesamt hoch, 61 Prozent sehen ihr Studium als (sehr) gute Berufsvorbereitung. Besonders positiv ist das Ergebnis bei Medizin-Absolventen oder Personen mit Ausbildung in den Informations- und Kommunikationstechnologien, besonders gering bei jenen mit einem Abschluss in Sprachen oder Pädagogik. Auch die Lehrerausbildung sahen mit 44 Prozent vergleichsweise wenige als gute Berufsvorbereitung. Die Arbeitszufriedenheit nach dem Master bzw. Diplom ist mit 73 Prozent ebenfalls hoch, allerdings haben 46 Prozent angegeben, dass für ihren Beruf auch ein niedrigerer Abschluss gereicht hätte.
Grundsätzlich haben in Österreich deutlich mehr Personen einen Tertiärabschluss als in früheren Jahren. Im Vergleich zu anderen Ländern, die EU- und OECD-Mitglied sind, liegt Österreich mit knapp 36 Prozent leicht unter dem Mittelfeld. Allerdings sind in dieser Quote auch Abschlüsse wie der Meister oder die BHS-Matura berücksichtigt, wie Thomas einschränkte. "Ich würde sagen, dass in Österreich, was Bachelor, Master, Diplom und Doktorat angeht, doch eine gewisse Luft nach oben da ist." So stehen in Österreich 21 Prozent Bachelor-Absolventen einem internationalen Schnitt von 32 Prozent gegenüber, bei Master, Diplom und Doktorat sind es 14 zu 20 Prozent. Geringer als im internationalen Schnitt ist indes die Zahl derer, die maximal einen Pflichtschulabschluss haben (14 gegenüber 17 Prozent). Die Zahlen belegen außerdem einmal mehr, dass sich Bildung für den einzelnen auszahlt: Menschen mit einer Lehre, Matura oder einem Hochschulabschluss stehen öfter im Erwerbsleben, sind seltener arbeitslos und verdienen mehr als Personen mit Pflichtschulabschluss.
WKÖ und IV für bessere Berufsorientierung
Die FPÖ sah den minimalen Rückgang bei den AHS-Übertrittsquoten als Beleg dafür, dass "durch viele Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen das Bildungsniveau immer weiter nach unten nivelliert wird". Dass weniger als die Hälfte der Lehramtsabsolventinnen und -absolventen die Lehrerausbildung als gute Berufsvorbereitung ansehen, bezeichnete Bildungssprecher Hermann Brückl als "Hiobsbotschaft". Fünf Jahre seien zu lange für die Volksschullehrerausbildung, er forderte eine Reform bei Dienstrecht und Besoldung.
Die Wirtschaftskammer verlangte Maßnahmen, um den Dropout an den Unis und die Zahl der sogenannten NEETs - 18- bis 24-Jährige, die weder in Ausbildung noch erwerbstätig sind - zu senken. Österreich liege mit 12 Prozent bei den NEETs EU-weit nur im Mittelfeld, Länder wie Niederlande (nur 4,9 Prozent) schnitten wesentlich besser ab. Dass mehr als 33 Prozent der Uni-Bachelorstudenten im ersten Jahr ihr Studium abbrechen, sei wiederum "ein Warnsignal", so Vize-Generalsekretärin Mariana Kühnel. Hier brauche es qualitätsvolle Berufsorientierung verpflichtend in allen Schulformen. Auch die Industriellenvereinigung (IV) forderte einmal mehr eine Offensive für umfassende und frühzeitige Bildungs- und Berufsorientierung. Als Maßnahme gegen die frühe Bildungswegentscheidung pochte Generalsekretär Christoph Neumayer außerdem erneut auf eine "Bildungspflicht" bis 14 und einen verbesserten Einstieg in die Lehre, die einen besonders schnellen Einstieg in den Arbeitsmarkt ermögliche unter allen Sekundarausbildungen die höchsten Einstiegsgehälter bringe.