Gesundheits-Apps auf Rezept?
Gastbeitrag --- Die Gesundheitsversorgung in Österreich steht vor großen Herausforderungen - die Ausgaben steigen und Fachkräfte fehlen. Einen Beitrag zur Konsolidierung erhofft man sich durch einen Ausbau telemedizinischer Behandlungsformen. Dazu zählt im weiteren Sinne auch die Versorgung mit Gesundheits-Apps. Die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten beschränken sich dabei nicht nur auf die Krankenbehandlung, sondern betreffen auch die (Tele-)Rehabilitation oder den Pflegebereich.
Die meisten Gesundheits-Apps sind freilich nicht kostenlos, sondern mit Preisen von 120 bis 2.000 Euro relativ teuer. Vor diesem Hintergrund stellt sich häufig die Frage, ob nicht die Krankenversicherung, etwa die ÖGK, die Kosten ganz oder teilweise übernimmt. Klare gesetzliche Regelungen dafür fehlen, doch auf Basis der allgemeinen Rechtslage ist eine Kostenübernahme nicht ausgeschlossen. So haben Versicherte etwa gem. § 137 ASVG Anspruch auf Heilbehelfe. Auch Gesundheits-Apps können grundsätzlich als solche qualifiziert werden. Voraussetzung für eine Kostenübernahme ist jedoch, dass die App ärztlich verordnet wird und ihr Einsatz als zweckmäßig gilt. Entscheidend sind hierfür die ausreichende wissenschaftliche Erprobung und die Anerkennung in der Fachwelt, die derzeit (noch) nicht immer gegeben ist.
Für als Heilbehelf zu qualifizierende Gesundheits-Apps sieht das ASVG eine Kostenerstattung von 90 Prozent vor - vorausgesetzt, die Kosten übersteigen 43 Euro. Der Selbstbehalt beträgt 10 Prozent, mindestens jedoch 43 Euro und entfällt bei Rezeptgebührenbefreiung. Zudem sieht etwa die ÖGK in ihrer Satzung eine Deckelung der Kostenerstattung (1.720 Euro) vor. Versicherte müssen die App selbst bezahlen und die Rechnung bei der ÖGK einreichen. Möglich wären auch Direktverträge zwischen Sozialversicherung und den App-Anbietern, sodass für Versicherte keine Kosten anfallen.
Versicherte haben Rechtsanspruch auf Kostenübernahme, jedoch nicht auf eine bestimmte App. Über Auswahl und medizinische Notwendigkeit entscheiden Ärztinnen und Ärzte. Auch besteht kein Anspruch auf jede ärztlich verordnete App: Den Versicherten steht lediglich der jeweils notwendige und wirtschaftlichste Heilbehelf zu. Gibt es günstigere analoge Alternativen, so sind diese zu gewähren.
Werden Apps in einem pflegerischen Kontext eingesetzt, können Krankenversicherungsträger Kostenzuschüsse für Hilfsmittel (§ 154 ASVG) vorsehen. Die ÖGK-Satzung sieht diesbezüglich z.B. ähnliche Regeln zur Kostenerstattung wie bei Heilbehelfen vor.
Trotz Erstattungsfähigkeit führt die aktuelle Rechtslage zu erheblicher Unsicherheit - insbesondere was die Einordnung als Heilbehelf/Hilfsmittel oder die Beurteilung der Zweckmäßigkeit betrifft. In anderen Ländern, wie etwa in Deutschland, gibt es diesbezüglich bereits Sonderbestimmungen und klare Verfahren. Mit der Gesundheitsreform 2023 wurde in Österreich zumindest die Entwicklung und Regulierung digitaler Gesundheitsanwendungen sowie deren Integration in die Regelversorgung vereinbart. Die eHealth-Strategie des Gesundheitsministeriums (2024) nennt als mittelfristiges Ziel (2024-2026) die Etablierung eines einheitlichen Bewertungsprozesses für digitale Gesundheits- und Pflege-Apps und in weiterer Folge - bei darstellbarem Nutzen - deren Einführung in die Gesundheitsversorgung.
Die gemischten Erfahrungen aus Deutschland sind für Österreich sehr aufschlussreich. Kritisiert werden geringe Anforderungen an die Aufnahme ins Verzeichnis erstattungsfähiger Anwendungen sowie die Regelungen zur Preisgestaltung. Das "herstellerfreundliche Umfeld" ist vor allem deshalb problematisch, weil es nicht Aufgabe der beitragsfinanzierten Versichertengemeinschaft ist, Anschubfinanzierungen und Wirtschaftsförderung von noch unerprobten Technologien vorzunehmen. Zudem blieb die erhoffte finanzielle Entlastung bislang aus.
Österreich ist gut beraten, die deutsche Rechtslage nicht unreflektiert zu übernehmen und Nutzen, Akzeptanz sowie Einsparpotenziale von Gesundheits-Apps realistisch einzuschätzen.
Zur Person:
Mag. Dr. Johannes Warter ist Postdoc-Assistent und Habilitand am Fachbereich Arbeits- und Wirtschaftsrecht der Universität Salzburg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Arbeits- und Sozialrecht mit besonderem Fokus auf Auswirkungen der Digitalisierung. Zuvor war er unter anderem in der Privatwirtschaft tätig und verbindet wissenschaftliche Exzellenz mit praktischer Erfahrung. Warter wurde mit mehreren Preisen und Stipendien ausgezeichnet und ist in verschiedenen wissenschaftlichen Fachgesellschaften aktiv. Seit 2018 ist er Datenschutzbeauftragter der Universität Mozarteum Salzburg und Mitglied des Betriebsrats der Universität Salzburg. Seine jüngste Monografie zu Gesundheits-Apps in der österreichischen Sozialversicherung erschien 2024 im Manz-Verlag.
Service: Dieser Gastbeitrag ist Teil der Rubrik "Nachgefragt" auf APA-Science. Die inhaltliche Verantwortung liegt beim Autor/der Autorin.