Wie erste komplexe Lebensformen mit Arsen lebten
Arsen gilt insbesondere in seiner anorganischen Verbindungsform als sehr toxisch. So hat das in der natürlichen Umwelt verbreitete Element schon frühes Leben auf der Erde potenziell bedroht. Der Zeitpunkt, zu dem komplexe Organismen erstmals Strategien zur Bewältigung des "Giftes" Arsen entwickelt haben, war lange ungewiss. Nun gibt es einen neuen Hinweis: Anhand von Fossilien aus Gabun, früheste Zeugen mehrzelligen Lebens, wiesen Forschende entsprechende Mechanismen nach.
Die sogenannten Gabonionta-Fossilien sind etwa 2,1 Mrd. Jahre alt. Die damals komplexen, koloniebildenden Lebewesen existierten im phosphat- und sauerstoffreichen Meerwasser. "Die untersuchten Exemplare gediehen in arsenarmen Meeresgewässern, wiesen jedoch auffallend hohe Arsenkonzentrationen auf, die aktiv in spezialisierten Körperteilen gespeichert wurden, um die Toxizität zu verringern", schreiben die Forscher unter Beteiligung von Mathias Harzhauser vom Naturhistorischen Museum (NHM) Wien in ihrer Studie in "Nature Communications". "Die Organismen haben also das über das Meerwasser aufgenommene anorganische Arsen gezielt in bestimmten Körperbereichen abgelagert, wo dieses dann dem chemischen Reaktionsraum entzogen war", sagte der Direktor der Geologisch-Paläontologischen NHM-Abteilung gegenüber der APA.
Vor 2,4 Mrd. Jahren erstmals freier Sauerstoff
Die bis zu 17 Zentimeter großen Fossilien weisen einen mehr oder weniger kugeligen Zentralkörper auf, der von einem Saum umgeben ist. Daneben gibt es auch gestreckte Formen, die an abgeflachte Würmer erinnern, teilte das NHM mit. Die Existenz dieser Gabonionta passt auch insofern ins Bild, als dass sich vor 2,4 bis 2,3 Mrd. Jahren erstmals freier, von bestehendem Leben produzierter Sauerstoff in der Atmosphäre sammelte und damit die Entwicklung komplexerer Stoffwechselprozesse und größerer Lebewesen begünstigte.
Damals gab es im Meerwasser eine mit heutigen Konzentrationen vergleichbare Menge an Arsen (oxidiertes Arsenat). Beim Stoffwechsel der Organismen gelangt das "Gift" - gemeinsam mit dem für die Organismen nützlichen Phosphat - in die Körper, was mitunter die Energiegewinnung erheblich beeinträchtigen konnte.
Die Gabonionta waren laut der Forscher wohl erste Organismen, die lernten, das Element gezielt aufzunehmen und chemisch unschädlich zu machen. "In den Fossilien aus Gabun bemerkten wir Anreicherungen an Arsen, die aber nicht zufällig in den Organismen verteilt waren, sondern in klar definierten Bereichen konzentriert auftraten", wurde Studienleiter Abderrazak El Albani, Geologe von der französischen Universität Poitiers, zitiert. Er hatte 2010 die Gabonionta in alten Tonschiefern aus dem zentralafrikanischen Gabun gefunden.
Das toxische Arsen wurde innerhalb der Lebewesen chemisch reduziert und auf diese Weise entgiftet. "Teile des Arsens wurden wieder ausgeschieden und andere Teile wurden in eigenen Vesikeln gespeichert", erläuterte der NHM-Wissenschafter. "Das zeigt, dass diese Lebewesen erstmals in der Erdgeschichte einen Weg fanden, Arsen unschädlich zu machen und vielleicht sogar als Spurenelement zu verwerten."
Arsen im Mineral Pyrit "eingefroren"
Nach dem Tod der Organismen ging das Arsen wieder Verbindungen mit anderen Elementen ein und wurde im Mineral Pyrit gebunden. So sei die chemische Signatur der Gabonionta über 2,1 Milliarden Jahre im Gestein erhalten geblieben. "Das Gute ist: Arsen bleibt auch über diese lange Zeit sehr stabil. Über die Einbindung in den Pyrit ist es die gesamte Zeit über quasi eingefroren gewesen. Das hat uns heute diese Erkenntnis ermöglicht."
Die Gabonionta waren aber nur begrenzt verbreitet und lebten - wie sich aus den "eher schlechten" Fossilienfunden ableiten lässt - vielleicht nur ein paar hunderttausend Jahre. Ihr Verschwinden fällt zusammen mit veränderten Rahmenbedingungen: Vor etwa 2 Mrd. Jahren sank die Sauerstoff-Konzentration in der Atmosphäre wieder erheblich ab, so Harzhauser: "Die ersten Formen komplexeren Lebens verschwanden wieder. Erst vor 700 Mio. Jahren hat das Leben wieder eine höhere Komplexität erreicht. Dazwischen war es zappenduster. Aber das ist auch ein Super-Beispiel dafür, dass Evolution eben nicht linear verläuft." Die Forscher gehen somit auch davon aus, dass sich Entgiftungsstrategien in komplexen Eukaryonten - wie sie sich in späteren Zeiten wieder zeigten - mindestens zweimal unabhängig voneinander entwickelt haben könnten. Drei Exemplare der Gabonionta, exklusive Leihgaben, sind übrigens im NHM ausgestellt.
(S E R V I C E - https://doi.org/10.1038/s41467-025-59760-9)