Forscher brachten rekordverdächtig "großes" Objekt in Quantenzustand
Wo die Grenzen zwischen der klassischen Physik und der oft seltsam anmutenden Quantenmechanik verlaufen, beschäftigt Physiker weltweit. An der ETH Zürich wartet man nun mit einem Rekord in dem Feld auf: Unter anderem mit Theorie-Unterstützung der Technischen Universität (TU) Wien konnte das Team Glaskügelchen mit einem Durchmesser von hundert Nanometern ohne übliche Kühlung in einen nahezu vollständigen Ruhezustand bringen, in dem Quanteneigenschaften vorherrschen.
Üblicherweise braucht es extrem niedrige Temperaturen nahe am absoluten Nullpunkt von minus 273,15 Grad Celsius, um diese Eigenschaften bei massiven Objekten mit Hunderten Millionen Atomen hervortreten zu lassen. Dem Team um ETH-Forscher Martin Frimmer gelang dies nun mit einem gefinkelten Versuchsaufbau bei Raumtemperatur. Laut Angaben der Schweizer Universität birgt das Verfahren Potenzial für neue Technologien. Denn viele künftige Anwendungen setzen voraus, dass sich nicht nur einzelne Atome, sondern auch sehr viel größere Teilchen quantenmechanisch kontrollieren lassen.
Spiegel und Laser formen optische Pinzette
An der Publikation im Fachmagazin "Nature Physics" sind u. a. auch der nach jahrelanger Forschungsarbeit am Institut für Experimentalphysik der Uni Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) nun am Barcelona Institute of Science and Technology (Spanien) tätige Oriol Romero-Isart und der theoretische Physiker Carlos Gonzalez-Ballestero von der TU Wien beteiligt. Die experimentelle Umsetzung gelang den Forschenden der ETH Zürich mithilfe einer optischen Apparatur aus Spiegeln und Lasern - einer Art optischer Pinzette, die das Objekt in einem Vakuum stabilisierte und annähernd komplett still in Schwebe hielt.
"Der Laser kann dem Nano-Teilchen entweder Energie zuführen oder Energie wegnehmen. Indem man die Spiegel auf geeignete Weise anpasst, kann man erreichen, dass Energie mit hoher Wahrscheinlichkeit entzogen wird, und nur mit geringer Wahrscheinlichkeit zugeführt. Die Energie der Rotationsbewegung nimmt also ab, bis wir uns dem Quanten-Grundzustand nähern", wird Gonzalez-Ballestero in einer Aussendung der TU Wien zitiert.
Einhegen von klassischer Physik eröffnet Blick auf Quanteneigenschaften
In ihrem Schwebe-Experiment konnte das Team die auf die Glaskügelchen wirkende Schwerkraft sozusagen ein Stück weit ausschalten. Dennoch zitterte das längliche Nano-Objekt ähnlich wie die Nadel eines sich einpendelnden Kompasses. Im Fall des Nano-Gebildes war es ein sehr schnelles, aber schwaches Zittern: Das Objekt machte etwa eine Million Mal pro Sekunde Auslenkungen von wenigen Tausendsteln Winkelgraden - und das, "obwohl das Teilchen selbst eine hohe Temperatur hat", so Gonzalez-Ballestero. Bei dieser winzigen Drehschwingung handle es sich um eine fundamentale quantenphysikalische Bewegung aller Objekte, die Physikerinnen als Nullpunktfluktuation oder Grundzustand bezeichnen. Diese wurde im Rahmen des Experiments nahezu komplett erreicht.
Diese winzigen Bewegungen so genau zu erkennen, sei zuvor bei einem Objekt dieser Größe noch niemandem gelungen. Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter bewerkstelligten dies, indem sie alle Bewegungen, die aus dem Bereich der klassischen Physik stammen und den Blick auf die Quantenbewegungen verdecken, weitestgehend ausschalten konnten, heißt es seitens der ETH.
Navigation ohne GPS-Satellit
Die Technologie könnte künftig in Quantensensoren oder der Grundlagenforschung zur Gravitation Anwendung finden. In ferner Zukunft könnten äußerst feinfühlige Quantensensoren auch in der medizinischen Bildgebung zum Einsatz kommen. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit wären Bewegungssensoren. Sie könnten die Fahrzeugnavigation ermöglichen, auch wenn kein Kontakt zu einem GPS-Satelliten vorhanden ist.
Service: https://doi.org/10.1038/s41567-025-02976-9