Neues Testsystem zur Früherkennung von Krebs, Viruserkrankungen und Pilzsporenkontaminationen
Die während der Covid-Pandemie zum Alltag gehörenden Schnelltests waren unangenehm und oft nicht sehr präzise. Ein am Lehrstuhl für Funktionale Werkstoffe und Werkstoffsysteme an der Montanuniversität Leoben neu entwickeltes Schnelltestsystem könnte Abhilfe schaffen: Ähnlich einem Alkoholtester bläst man in ein Röhrchen und bekommt wenige Minuten später ein Ergebnis. Der Tester könnte schon bald Viren, Bakterien und Pilzsporen identifizieren und sich für Anwendungen eignen wie der Krebsfrüherkennung, der Identifizierung von Umweltrisikofaktoren wie Pilzkontaminationen und zahlreichen, durch Viren verursachten Krankheitsbildern. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich im renommierten JVST A Journal veröffentlicht.
Während der Covid-Pandemie änderte sich unser Alltag schlagartig. Eine Begleiterscheinung waren die häufigen Virusnachweise, die zu vielen der notwendigen Maßnahmen gehörten. Diese Schnelltests waren zwar hilfreich, doch war der Prozess an sich oft unangenehm und nicht immer besonders präzise. "Wir haben uns schon damals gedacht, ob es nicht möglich ist, einen Test zu entwickeln, der genauso einfach und schnell funktioniert wie ein Alkoholtester? Also ein Gerät, bei dem man einfach in eine Röhre bläst und innerhalb von Minuten ein Ergebnis erhält - beschwerdefreier als bei derzeitigen Testsystemen. Uns war jedoch wichtig, nicht nur Viren, sondern auch Bakterien, Pilzsporen und andere Mikroorganismen nachweisen zu können", verrät Christian Mitterer, Leiter des Lehrstuhls für Funktionale Werkstoffe und Werkstoffsysteme an der Montanuniversität Leoben. Diese anfängliche Idee führte schließlich zur Entwicklung eines neuen Testsystems, das mittlerweile als "Proof of Concept" existiert. Zudem wurden die Forschungsergebnisse kürzlich im renommierten JVST A Journal veröffentlicht.
Einfache, aber raffinierte Testarchitektur
Der Aufbau des Testsystems ist einfach, aber raffiniert: „Das Konzept funktioniert so, dass wir von einem Filter ausgehen, der typischerweise aus Glasfasermaterial besteht und mit speziellen Nanopartikeln funktionalisiert wird. Diese Nanopartikel – meist aus Edelmetallen wie Silber oder Platin – sind nur wenige Nanometer groß und besitzen die Fähigkeit, die Wechselwirkung eines Laserstrahles mit bestimmten chemischen Bindungen in Proteinen zu verstärken“, erklärt Nikolas Kostoglou, Professor am Lehrstuhl für Funktionale Werkstoffe und Werkstoffsysteme der Montanuniversität Leoben. Die Forscher konzentrieren sich auf Proteine, da sie als chemische Bindungen in jedem Mikroorganismus vorkommen und diesen und die zugehörige Gruppe an Mikroorganismen charakterisieren – sei es ein Virus, ein Bakterium oder eine Pilzspore. Durch spezielle Laser-Messmethoden können diese Proteine in weiter Folge nachgewiesen werden.
KI-gestützte SERS-Testmethode
Der eigentliche Testmechanismus funktioniert so: "Man bläst in ein Blasröhrchen, welches mit diesem Filter ausgestattet ist. Die ausgeatmete Luft enthält winzige Tröpfchen, die bei einer Infektion Viren, Bakterien oder Sporen enthalten können, welche auf der 3D-Architektur des Filters landen. Die in den Tröpfchen enthaltenen Mikroorganismen werden durch die optische Methode ʺSurface Enhanced Raman Spectroscopyʺ (SERS) nachgewiesen: Hier regt ein Laser die Proteinstrukturen in den Tröpfchen zum Schwingen an - der sogenannte Raman-Effekt. Die Nanopartikel auf dem Filter verstärken diesen Effekt um bis zu elf Größenordnungen, sodass selbst kleinste Mengen eines Mikroorganismus nachgewiesen werden können. Dadurch kann man gezielt nachsehen, welche Schwingungen auftreten und ob diese Schwingungen für bestimmte Proteine charakteristisch sind. Das haben wir im letzten Jahr erfolgreich geschafft!", freut sich Mitterer.
Kostoglou fügt hinzu: "Der Nachweis alleine reicht aber nicht aus, um eine genaue Diagnose zu stellen. Es ist eine Herausforderung, die spezifischen Fingerabdrücke von Viren, Bakterien und anderen Mikroorganismen zu identifizieren, vor allem, wenn in den Atemtröpfchen eine Vielzahl unterschiedlicher Strukturen drinnen ist." Hier kommen Machine Learning-Algorithmen und Materialsystemdatenbanken ins Spiel: Mithilfe dieser Werkzeuge suchen die Werkstoffforscher gezielt nach jenen charakteristischen Fingerprints der Proteinstrukturen, welche spezifisch für den jeweilige Mikroorganismus sind. Der neue Schnelltest ermöglicht es, Mikroben mit höchster Sensibilität zu erkennen.
Von der Krebsfrüherkennung bis hin zur Erkennung von Umweltrisikofaktoren
Die Möglichkeit, Mikroorganismen in Minuten und ohne großen Aufwand – und vor allem „komfortabler“ als bisher – nachzuweisen, könnte für den Gesundheitsbereich und viele andere Branchen große Vorteile bieten: So könnte der entwickelte Schnelltest auch in der Krebsfrüherkennung oder bei der Identifizierung von Umweltrisikofaktoren wie Pilzsporen eine Rolle spielen. „Aktuell sind wir auf der Suche nach Industriepartnern, um diesen Test weiterzuentwickeln, in eine Produktion zu überführen und so vielen PatientInnen helfen zu können“, erhofft Mitterer eine Markteinführung der Technologie.
Zur Publikation: https://pubs.aip.org/avs/jva/article-abstract/43/3/033103/3342412/Nanoparticle-functionalized-3D-substrates-for?redirectedFrom=fulltext
Wissenschaftlicher Kontakt: Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.mont. Christian Mitterer Montanuniversität Leoben Leiter des Lehrstuhls für Funktionale Werkstoffe und Werkstoffsysteme christian.mitterer@unileoben.ac.at Tel.: +43 3842 402 4220