30 Jahre in EU - Deutlicher Schub für Forschung und Innovation
Der EU-Beitritt hat Österreich zu neuem Schwung in der Forschungs- und Technologieentwicklung verholfen. Nach einem gewissen "Kulturschock" und anfänglichen Befürchtungen, in diesem Bereich ein Nettozahler zu bleiben, wurden die Chancen anscheinend gut genutzt. So konnten die eingeworbenen Förderungen im Rahmen der EU-Forschungsrahmenprogramme von rund 200 Mio. Euro auf inzwischen über 2 Mrd. Euro mehr als verzehnfacht werden.
Einer der Erfolgsfaktoren sei gewesen, dass die für Forschung, Technologie und Innovation zuständigen Ministerien gemeinsam an einer nationalen Unterstützungsstruktur gearbeitet hätten. "Die österreichischen Forscherinnen und Forscher wussten ja nicht, wie das europäische Spiel funktioniert", erklärte Klaus Schuch, wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Soziale Innovation (ZSI), im Gespräch mit APA-Science. Er hat auch einen Beitrag für den kürzlich von den für Innovation zuständigen Ministerien veröffentlichten "Forschungs- und Technologiebericht 2025" zur Entwicklung seit dem EU-Beitritt im Jahr 1995 verfasst.
So sei beispielsweise das Büro für internationale Forschungs- und Technologiekooperation gegründet worden, um dabei zu beraten, wie die Fördertöpfe angezapft werden können, um letztendlich nicht zum ewigen Nettobeitragszahler zu werden. Diese Unterstützungsstruktur, die jetzt in der Forschungsförderungsgesellschaft FFG beheimatet ist, sei nach wie vor notwendig, da sich die Rahmenprogramme ständig verändern würden.
Kulturschock durch Anträge auf Englisch
"Es war auch ein Kulturschock, dass man Anträge auf Englisch einreichen sollte. Das war vor 30 Jahren nicht selbstverständlich", sagte Schuch. Anfangs habe es in Österreich auch noch keine thematischen Forschungsförderprogramme gegeben, durch die auf EU-Ebene versucht wurde und wird, nationale Gelder und europäische Mittel gemeinsam für strategische Zielsetzungen zu bündeln, etwa bei Schlüsseltechnologien wie Materialwissenschaften, Quantentechnologie oder Mikroelektronik. Vor allem in den naturwissenschaftlich-technischen Bereichen sei in Österreich schnell versucht worden, nationale Programme nachzubauen, was den Aufholprozess beschleunigt haben dürfte.
Diese Anstrengungen sind auch an der Entwicklung der Forschungsquote ablesbar, die 1995 noch bei rund 1,5 Prozent, 2015 schon bei knapp 3,1 Prozent lag und heute bei 3,35 Prozent liegt, und als wichtiger Indikator für die Innovationsfähigkeit eines Landes gilt. "Österreich hat damals viel Geld in Forschung gesteckt, immer mit dem Anspruch, die Wirtschaft mitzunehmen", so Schuch.
Bereits 2002, nur sieben Jahre nach dem EU-Beitritt, wurde der Break-even erreicht. Zu diesem Zeitpunkt überschritten die Rückflüsse aus dem Forschungsrahmenprogramm erstmals die Eigenmittelzahlungen Österreichs in den EU-Haushalt, die anteilsmäßig der Forschung und Entwicklung zugerechnet werden. Inzwischen ist das Rahmenprogramm mit rund 300 Millionen Euro, die pro Jahr in die Forschung zurückfließen, das drittwichtigste F&E-Förderprogramm in Österreich - hinter FFG (1,23 Mrd. Euro für F&E- und Infrastrukturförderungen) und dem Wissenschaftsfonds FWF (408 Mio. Euro), erläuterte Schuch.
Spät auf Zug aufgesprungen
Zwischenzeitlich hätten sowohl Forschende als auch die Politik fast übersehen, dass auf europäischer Ebene eine neue Programmkultur entstanden sei. Bei den europäischen Partnerschaftsprogrammen sollte Geld von den Mitgliedsländern fließen oder zumindest die Industrie sehr stark eingebunden werden. Hier hätte Österreich lange gebraucht, sich strategisch gut aufzustellen und klarzumachen, an welchen europäischen Initiativen man mit nationalen Mitteln teilnehmen möchte.
Auch wenn kleine Länder nicht überall mitspielen könnten, habe man inzwischen deutlich aufgeholt. Relativ stabil sieht der Experte die Themen, bei denen Österreich gut aufgestellt ist: "Stärken gibt es zum Beispiel im Bereich der Umweltwissenschaften, der Energie- und auch der sozialwissenschaftlichen Forschung. Unter den Erwartungen sind kontinuierlich die Gesundheits- und Medizinwissenschaften." Hier habe es im Laufe der Jahre auch wenig Verschiebungen gegeben.
Weißwurst-Äquator statt Internationalisierung
Auch ohne EU-Beitritt hätte Österreich unter anderem aufgrund des Zusammenbruchs der verstaatlichten Industrie viel Geld in Forschung und Entwicklung stecken müssen. "Aber wir wären am Weißwurst-Äquator stecken geblieben. Die Internationalisierung hätte sicherlich stark darunter gelitten", ist Schuch überzeugt. Mittlerweile sei ein großes Spektrum an ausgezeichneten Forscherinnen und Forschern aus aller Welt an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Österreich tätig. Nachteile hätte es anderenfalls auch im Hinblick auf die Marktentwicklung der Unternehmen, die am Rahmenprogramm teilnehmen, gegeben.
Im aktuellen Programm habe sich der Schwerpunkt von Klima-Themen, die bis 2024 dominiert hätten, zur Wettbewerbsfähigkeit verschoben, nicht zuletzt wegen der von Enrico Letta und Mario Draghi vorgestellten Visionen für Europa. Darin geben der frühere italienische Premierminister und der frühere EZB-Präsident ehrgeizige Ziele für Wachstum, Resilienz und die technologische Souveränität Europas vor. Künftig dürfte der Militärforschung mehr Raum eingeräumt werden, auch wenn noch nicht ganz klar sei, wie das mit Open Science, Publikationspflichten und Co. zusammenpassen könnte.
Ausblick auf neues Programm ungewiss
Was das zehnte und damit nächste EU-Forschungsrahmenprogramm mit sich bringt, ist noch unklar. Bis Ende 2027 gilt das neunte und mit rund 100 Mrd. Euro ausgestattete Programm (FP 9) namens "Horizon Europe". Der EU-Topf für die Jahre 2028 bis 2034 sollte mit 220 Milliarden Euro ausgestattet werden, haben sich erst im März 32 europäische Wissenschaftsakademien gewünscht. Auf Gerüchte, das Rahmenprogramm könne in einem Wettbewerbsfähigkeitsfonds aufgehen und die Forschung damit an Sichtbarkeit verlieren, reagiert die Wissenschaftscommunity naturgemäß ablehnend.
Ein Umbau dieses europäischen Vorzeigeprojekts könnte auch dazu führen, dass Mittel, die eigentlich für das Rahmenprogramm vorgesehen sind, herausgenommen und dafür eingesetzt werden, andere Bereiche zu finanzieren. Sollte es nur mehr einen großen Wettbewerbs-Topf und keine klaren Budgets geben, würden die Grenzen zwischen Wirtschafts- und Forschungsförderung wohl verschwimmen. "Mittlerweile warten alle gespannt, wie der Hase vor der Schlange, was die Kommission im Laufe des Sommers präsentieren wird", sagte Schuch. Im Regierungsprogramm heißt es jedenfalls, man setze sich für ein starkes, eigenständiges nächstes EU-Forschungsrahmenprogramm ein.
Service: Forschungs- und Technologiebericht 2025: https://go.apa.at/LToSW8L6
(Dies ist eine entgeltliche Veröffentlichung des ZSI im Rahmen einer Medienkooperation. Die redaktionelle Letztverantwortung liegt bei APA-Science.)