Eckart von Hirschhausen will lieber erklären als verzweifeln
"Wissenschaftskommunikation ist dann gelungen, wenn man sie gar nicht als solche erkennt", sagt der deutsche Arzt Eckart von Hirschhausen, der sich insbesondere als Kabarettist, TV-Moderator und Autor einen Namen machte. Für sein Wirken erhält er am Donnerstag in Graz den Oberhummer-Award für Wissenschaftskommunikation. Diese könne durch das Verstehen eines Themas Freude bereiten. Ihre Hauptaufgabe sei aktuell aber auch, "Menschen Dinge zu sagen, die sie nicht hören wollen".
"Vieles, was gerade um uns herum passiert, ist nicht mehr lustig", sagte von Hirschhausen gegenüber der APA im Vorfeld der Verleihung. Deswegen hat er vor rund drei Jahren seine Bühnenkarriere beendet und sich mit seiner Stiftung "Gesunde Erde - Gesunde Menschen" der Verbindung "zwischen der persönlichen und der planetaren Gesundheit" gewidmet - mit Unterstützung eines "großen, interprofessionellen Teams": "Denn es ist schwer, die Welt ehrenamtlich zu retten, wenn andere sie hauptberuflich zerstören", so von Hirschhausen, der Bücher wie "Mensch, Erde! Wir könnten es so schön haben" schrieb und auch mit seinen TV-Shows und Dokumentationen ein großes Publikum erreichen konnte. Sein aktuelles Buch "Der Pinguin, der fliegen lernte" erreichte Platz 1 in der Kategorie Sachbuch der "Spiegel"-Bestsellerliste.
Lachen, um nicht verrückt zu werden
Die Erkenntnis, dass wir als Menschen gerade in Bezug auf körperliche und seelische Gesundheit viel stärker von unserer Umwelt abhängig sind, als uns das bewusst ist, war für den Arzt ein Aha-Erlebnis. "Gesundheit beginnt nicht mit einer Tablette oder Operation. Gesundheit beginnt mit der Luft, die wir atmen, dem Wasser, was wir trinken, Pflanzen zum Essen, erträglichen Temperaturen und einem friedlichen Miteinander", meinte von Hirschhausen.
Mit Hitzewellen, Extremwettern und Bergrutschen, mit mehr Allergien, neuen Infektionskrankheiten und einer Zunahme seelischer Erkrankungen betreffen die gesundheitlichen Auswirkungen von Klimakrise und Artensterben alle medizinischen Disziplinen und alle Generationen. "Wenn ich als lustiger Doktor mit der roten Nase bekannt geworden bin, möchte ich diese Bekanntheit nun nutzen, um darauf hinzuweisen, dass wir nicht 'die Erde' oder 'das Klima' retten müssen - sondern uns!"
"Dabei kriegen wir im Kopf ganz schwer zusammen, dass wir in einer Situation sind, die so luxuriös ist wie noch nie und gleichzeitig so bedrohlich wie noch nie", so von Hirschhausen. Wenn man an diesem Widerspruch nicht verrückt werden wolle, müsse man darüber auch lachen können und gleichgesinnte Kolleginnen und Kollegen finden.
Zwar vermittle er Inhalte nach wie vor unterhaltsam und anschaulich, aber die hohe Pointendichte des Kabaretts erwartet das Publikum nicht mehr. Auch sonst hat sich seine Arbeitsweise geändert - vom "Einzelkämpfer" hin zur Arbeit in einem großen Team, das um sich herum "eine Vielzahl von Netzwerken" bilden konnte. Sein Motto: "Jeder kann jeden Tag jemanden bewegen, der mehr bewegen kann als man selbst", wie er preisgab.
Klimakommunikation außerhalb der Nische
Die Klimakommunikation müsse dringend "raus aus der Nische", die die übliche halbe Seite Wissenschaftsteil in den Tageszeitungen darstellt. "Wir müssen in die Schlagzeile, ins Feuilleton und in den Wirtschaftsteil", forderte von Hirschhausen. Dabei sei das Aufzeigen von Zusammenhängen wichtig: Was wird etwa aus Österreichs Wirtschaft, wenn die Produktivität bei Hitze leidet, wenn Transportwege nach einem Extremregen verschüttet sind, und die Touristen wegbleiben?
"Ich liebe Österreich, war schon als Kind im Salzkammergut und später auch gerne in Bad Gastein. Ein befreundeter Bergführer erzählte mir, wie ein sehr erfahrener Kollege abgestürzt ist, weil die Berge bröckeln. Wenn nicht einmal die Berge 'felsenfest' sind - ist das doch ein Alarmzeichen! Und wenn ich die ganzen absterbenden Bäume sehe, dann ist dort zu wandern nicht mehr Naherholung, sondern Nahtoderfahrung", so Hirschhausen.
Dabei können auch Allianzen helfen, die auf den ersten Blick überraschend sind. So solle man beispielsweise mal keine "klischeemäßigen Ökos", sondern einen Versicherungsmathematiker vor die Kamera holen. "Das sind so ziemlich die rationalsten Menschen der Welt. Die Versicherungsgesellschaften kennen kein Leugnen des Klimawandels - die sagen ganz klar, was wir aus den Zahlen sehen: Wir steuern auf eine Welt zu, die nicht mehr versicherbar ist. Und jetzt können wir noch einen Unterschied machen. Das teuerste, was wir jetzt tun können, ist nichts", erklärte von Hirschhausen.
Am 12. Juni wird von Hirschhausen den mit 20.000 Euro und einem Glas Alpaka-Kot dotierten Preis, der zum zehnten Mal verliehen wird, im Rahmen einer Galavorstellung der "Science Busters" an der Uni Graz entgegennehmen. Das Preisgeld möchte er mit dem österreichischen Klimadashboard teilen, um deren "super" Veranschaulichung von Fakten und Studien zu unterstützen. Der Preis wird in Gedenken an den Physiker, Kabarettisten und Alpaka-Verehrer Heinz Oberhummer (1941-2015) von der Kabarettgruppe "Science Busters" zusammen mit der Universität Graz, der Technischen Universität Wien, der Stadt Wien, dem Wissenschaftsministerium und dem ORF vergeben.
(Das Gespräch führte Clemens Zimmermann/APA)
Service: Galavorstellung der "Science Busters" und Preisverleihung am 12. Juni um 20 Uhr in der Aula der Universität Graz, Universitätsplatz 3, 8010 Graz; Karten sind unter https://sciencebusters.at/ erhältlich; Live-Stream auf https://oberhummeraward.at/ geplant; Homepage des Preisträgers: https://www.hirschhausen.com/)
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