Keine Angst vor Technologie auf "Terminator"-Niveau
Seit über 13 Jahren ist Jackie Snow Wissenschaftsjournalistin, die für so renommierte Publikationen wie die New York Times, das Wall Street Journal und National Geographic schreibt. Die US-Amerikanerin ist Teil des Journalist in Residence Programms am Institute of Science and Technology Austria (ISTA), wo sich die Autorin unter den Forschenden neue Ideen für ihre Arbeit holt. Mit APA-Science sprach sie über die Herausforderungen für den Wissenschaftsjournalismus in ihrem Heimatland sowie die Chancen und Gefahren von Künstlicher Intelligenz (KI).
APA-Science: Frau Snow, wie ist es denn um den Wissenschaftsjournalismus in den USA derzeit bestellt?
Jackie Snow: Dem Wissenschaftsjournalismus geht es eigentlich gut und er tut, was er im Moment in den USA tun muss. Es sind die Wissenschafter und Wissenschafterinnen, die von der US-Regierung bedroht werden. Sie verlieren ihre Arbeitsplätze, ihre Gelder werden gekürzt, in manchen Fällen wird sogar ihr Einwanderungsstatus noch einmal überdacht. Aber als Journalisten sind wir bisher nicht so sehr das Ziel wie in der ersten Amtszeit von US-Präsident Donald Trump.
APA-Science: Sie sind bis dato also auf keinerlei Schwierigkeiten gestoßen.
Snow: Ich mache nicht viel konfrontative Wissenschaftsberichterstattung, aber ich brauche zum Beispiel Zugang zu den Zahlen des Department of Energy und ich stoße da durchaus auf Probleme, weil die Daten nicht dort sind, wo ich sie erwarte. Ob das daran liegt, dass es keine Quellen gibt oder hier versucht wird, unter dem Radar zu fliegen, das weiß ich nicht. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass es in Zukunft ein Problem sein könnte, an Daten von Regierungsquellen zu gelangen, die in der vergangenen Berichterstattung kritisch waren.
APA: Haben Sie im Laufe Ihrer Karriere ein gesteigertes Interesse an Wissenschaftsjournalismus bemerkt?
Snow: Ja, ich denke schon. Vor allem, wenn wir über Künstliche Intelligenz sprechen. Das war eine Art Wachsen und Schwinden. Als ich im Jahr 2015 anfing, über KI zu schreiben, schien mir, dass dieses Thema ziemlich wichtig werden würde. Aber ich würde sagen, es dauerte etwa zwei Jahre, bis die Öffentlichkeit genauso interessiert daran war wie ich. Im Jahr 2017 wollten die Leute über nichts anderes reden, dann gab es wieder weniger Durchbrüche. Und natürlich erinnern wir uns alle an den November 2022, als ChatGPT veröffentlicht wurde und das Interesse plötzlich wieder sehr groß war. Ich habe also diese Hochs und Tiefs des Interesses miterlebt.
APA-Science: Sie schreiben viel über Künstliche Intelligenz. Gibt es etwas, das die Menschen in den USA besonders beunruhigt?
Snow: Im Moment haben wir keinerlei Leitschienen. Wir benutzen Kriegsterminologie, wenn wir über KI sprechen, und Regierungsbeamte sagen Dinge wie: "Wir müssen den KI-Wettlauf um jeden Preis gewinnen." Das bedeutet, dass weder ökologische Fragen noch Fragen des Datenschutzes und des Urheberrechts berücksichtigt werden. Es gibt Menschen, die befürchten, dass wir eine Technologie auf "Terminator"-Niveau erreichen werden. Das glaube ich nicht. Ich bin vielmehr besorgt über die Entwicklung dieser Tools, die Arbeitsplätze zerstören und auch über automatische Eingriffe in die Privatsphäre, die stattfinden werden.
APA-Science: Arbeiten Sie mit KI? Und inwiefern, denken Sie, wird sich KI auf Ihre Arbeit als Journalistin auswirken?
Snow: Ich benutze diese Tools sehr oft. Ich finde sie in vielerlei Hinsicht unglaublich hilfreich, sowohl als Journalistin als auch als Privatperson. Wenn ich fertig bin mit einem Artikel, dann gebe ich ihn der KI und bekomme eine gute Idee für eine Überschrift. Es hilft auch bei der Suchmaschinenoptimierung. Ich verwende KI also so gut wie für jeden Artikel. Ich konnte ihr zum Beispiel auch gewisse Fragen zum Verständnis von Wärmeenergie und Wärmepumpentechnologien stellen, Themen, die für mich neu waren.
Ich glaube nicht, dass die KI mich ersetzen wird. Sie kann noch niemanden anrufen und ein Interview führen. Wahrscheinlich werde ich in Zukunft sogar noch mehr Aufgaben übernehmen, weil ich diese Tools habe, mit denen ich meine Texte redigieren und recherchieren kann. Zum jetzigen Zeitpunkt meiner Karriere empfinde ich das also nicht als Bedrohung.
APA-Science: Konnten Sie in den vergangenen Jahren eine gewisse Skepsis gegenüber Wissenschaft und/oder Journalismus feststellen?
Snow: Es fühlt sich so an, als wäre etwas Anmut aus dieser wirklich schwierigen Aufgabe genommen worden, bei der wir versuchen, ein bewegliches Ziel zu treffen. Vor allem in den USA, wo es diese Verschwörungsmentalität gibt, die alles infiziert. Man traut den Lehrern nicht. Die Menschen gehen ins Krankenhaus und denken, sie wüssten mehr als die Ärzte. Es betrifft also nicht nur Journalisten. Es ist die schlimmste Manifestation des amerikanischen Individualismus, der unglücklicherweise wohl während der Pandemie Zeit hatte, sich in etwas Giftiges zu verwandeln.
APA-Science: Sie absolvieren derzeit eine Residency am ISTA. Berichten Sie über bestimmte Projekte?
Snow: Ich interessiere mich sehr dafür, was das EU-Start-up-Ökosystem jetzt tun könnte, da sich die USA mit Zöllen und der Vergraulung von Forschern selbst in den Fuß schießen. Außerdem spreche ich mit den Forschenden hier auch darüber, wie man einige der KI-Modelle kleiner und energieeffizienter machen kann. Und schließlich gibt es noch ein anderes Thema, das von ISTA-Professor Alex Bronstein angestoßen wurde, der darauf hinwies, dass viele der Daten, die wir mit der KI teilen, Daten sind, die so gemacht wurden, dass sie für Menschen lesbar sind.
Jetzt können wir damit beginnen, Daten zu erstellen, die von der KI besser lesbar sind, die aber vielleicht nicht von Menschen interpretiert werden können. Die KI wird möglicherweise in der Lage sein, ein MRT zu betrachten und es viel effizienter und genauer zu verstehen. Es gibt also eine ethische Frage, die mich interessiert: Was bedeutet es, Daten zu entwickeln, die entweder überhaupt nicht oder weniger gut von Menschen lesbar sind? Wenn wir in der Lage sind, Krebserkrankungen früher zu diagnostizieren oder autonome Fahrzeuge sicherer zu machen, ist das ein Kompromiss, den wir bereit sind einzugehen?
Es gibt im Moment keine einfachen Antworten auf die Frage nach der KI. Sie ist nicht gut, nicht schlecht, nicht schlau und nicht dumm. Aber wir müssen in der Lage sein, gut durchdachte, gut recherchierte Gespräche zu führen, und das ist etwas, das mich im Moment sehr inspiriert. Die Menschen müssen in der Lage sein, diese Tools zu verstehen. Denn sie werden uns beeinflussen, ob wir das wollen oder nicht.
Service: Unter dem Titel "Science Journalism around the Globe during Times of Disruption" lädt das Institute of Science and Technology am 14. Mai um 18 Uhr zu einer Podiumsdiskussion am ISTA-Campus in Klosterneuburg mit Jackie Snow und vier Wissenschaftsjournalistinnen aus Australien, Österreich, der Schweiz und Indien. Weitere Informationen unter: https://ista.ac.at.
Das Gespräch führte Marietta Steinhart/APA-Science
(Dies ist eine entgeltliche Veröffentlichung des Institute of Science and Technology Austria im Rahmen einer Medienkooperation. Die redaktionelle Letztverantwortung liegt bei APA-Science.)