Nicht flüssige "Flüssigkeit" sendet nicht leuchtende Photonen aus
Auch wenn eine "Quanten-Spin-Flüssigkeit" so heißt, ist sie nicht flüssig. Und sie kann sogenannte "emergente Photonen" aussenden, dabei handelt es sich aber nicht um Licht. Seit mehr als 50 Jahren wird darüber spekuliert, ob es einen solchen exotischen Materiezustand einer "Quanten-Spin-Flüssigkeit" geben könnte. Nun präsentiert ein internationales Forscherteam mit österreichischer Beteiligung im Fachjournal "Nature Physics" entscheidende Hinweise auf dessen Existenz.
In konventionellen Magneten richten sich die quantenmechanischen Drehimpulse (Spins) der einzelnen Teilchen in einem regelmäßigen Muster aus. Bei der bekanntesten Art magnetischer Festkörper, dem Ferromagnetismus, zeigen alle Spins in dieselbe Richtung - zumindest unterhalb einer bestimmten Temperatur.
Flüssige Form von Magnetismus
Der US-Physiknobelpreisträger Phil Anderson (1923-2020) postulierte 1973 die Existenz von Materialien, die selbst am absoluten Nullpunkt (minus 273 Grad Celsius) keine magnetische Ordnung haben - sogenannte "Quanten-Spin-Flüssigkeit". Die Spins dieser Festkörper bleiben auch bei tiefster Temperatur in ständiger quantenmechanischer Bewegung. "Sie verhalten sich dabei wie eine flüssige Form von Magnetismus, ohne starre Ordnung", erklärte Silke Bühler-Paschen vom Institut für Festkörperphysik der Technischen Universität (TU) Wien.
Weil es aber extrem schwierig ist, den Spin bei sehr tiefen Temperaturen zu messen, ist es auch sehr schwer nachzuweisen, dass es sich bei einem bestimmten Material tatsächlich um eine Quanten-Spin-Flüssigkeit handelt. "Trotz unzähliger Untersuchungen, vor allem an zweidimensionalen Materialien, und vielversprechender Hinweise hat es bisher noch nie volle Übereinstimmung zwischen Theorie und Experiment gegeben", so die Physikerin gegenüber der APA. Selbst nach jahrzehntelanger Suche nach diesem exotischen Materiezustand gibt es nur eine Handvoll aussichtsreicher Kandidaten.
Erster überzeugender Kandidat
Ein Team um Pengcheng Dai von der Rice University (USA), dem auch Bühler-Paschen angehört, hat nun den "ersten überzeugenden Kandidaten für eine echte dreidimensionale Quanten-Spin-Flüssigkeit" gefunden, wie es in einer Aussendung der TU Wien heißt. Experimente mit Cer-Zirkon-Oxid (Ce2Zr2O7) lieferten bei 20 Millikelvin, also nahezu am absoluten Nullpunkt, überzeugende Hinweise auf diesen exotischen Zustand der Materie.
Dabei handelt es sich insbesondere um sogenannte "emergente Photonen". Das sind keine Lichtteilchen, sondern magnetische Effekte, die sich wie Photonen verhalten. Diese kollektiven Anregungen einer großen Zahl von Spins verhalten sich wie Wellen und lassen sich mathematisch mit denselben Formeln beschreiben, die man auch für die Beschreibung von Photonen verwendet. Der Nachweis dieser emergenten Photonen in Cer-Zirkon-Oxid sei "ein sehr starker Hinweis darauf, dass wir tatsächlich eine Quanten-Spin-Flüssigkeit gefunden haben", so Bühler-Paschen.
Hoffnungsträger für Quantenforschung
Interessant sind Quanten-Spin-Flüssigkeiten besonders, weil sie neue Möglichkeiten für Anwendungen eröffnen könnten, die von neuen Supraleitern bis zu Quantencomputern reichen. So sind die Spins einer Quanten-Spin-Flüssigkeit verschränkt: Die Messung eines Spins beeinflusst die anderen Spins - was den exotischen Materiezustand zu einem Hoffnungsträger für neue Quantentechnologien macht.
Service: https://doi.org/10.1038/s41567-025-02922-9