Rekordinvestitionen in Medikamentenentwicklung, aber weniger Studien
Die Pharmaindustrie in Europa hat in den vergangenen Jahren stetig mehr in Forschung und Entwicklung investiert, 2023 waren es rund 50 Milliarden Euro. Im Vorjahr kamen 38 Arzneimittel mit neuem Wirkstoff auf den europäischen Markt. Jedoch gibt es markant sinkende Zahlen bei klinischen Studien in der Region, hieß es am Dienstag bei einer Pressekonferenz der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) und des Forums der forschenden pharmazeutischen Industrie (FOPI).
"Aktuelle Statistiken zeigen, dass die Zahl der klinischen Studien in ganz Europa rückläufig und auch in Österreich mit einem Minus von mehr als zehn Prozent bemerkbar ist. Parallel dazu wurde und wird in den USA und in China massiv in klinische Forschung investiert", berichtete FOPI-Präsident Leif Moll laut Aussendungstext. Für die Arzneimittelforschung brauche es die richtigen Rahmenbedingungen, betonte er. "Deshalb ist die konsequente Ausgestaltung einer österreichischen Life-Science- und Pharma-Strategie dringend nötig".
Bemerkenswerter Brustkrebs-Wirkstoff
Noch sei der Output der medizinisch-pharmazeutischen Forschung aber beachtlich. Die 38 im Jahr 2024 zugelassenen Therapien wurden für verschiedenste Indikationen entwickelt. Knapp ein Drittel entfällt auf die Onkologie, 13 Prozent sind Immunmodulierende Therapeutika, die gezielt das Immunsystem dämpfen, um etwa Autoimmunerkrankungen zu behandeln. Fünf Prozent sind neue Impfstoffe, und den großen restlichen Anteil stellen Arzneimittel für vielfältige Therapiegebiete wie Diabetes, Hämophilie, Colitis ulcerosa oder Myasthenia gravis.
"Besonders bemerkenswert ist darunter z.B. auch ein neuer Brustkrebs-Wirkstoff, der bei häufig auftretenden Brustkrebs-Formen zum Einsatz kommt, wenn gängige Therapien nicht mehr anschlagen", erläuterte Günter Waxenecker, Leiter des Geschäftsfelds Medizinmarktaufsicht in der AGES. Diese war 2024 im zentralen Zulassungsverfahren 19-mal als Rapporteur, viermal als Co-Rapporteur und fünfmal in multinationalen Gutachter-Teams beteiligt. Das ist die bisher höchste Beteiligung an europäischen Zulassungsverfahren überhaupt, freute sich Waxenecker.
Bedarf an neuen Antibiotika
Heinz Burgmann, Infektiologe und Leiter der Universitätsklinik für Innere Medizin I an MedUni/AKH Wien, unterstrich die Bedeutung innovativer Arzneimittel am Beispiel von Antibiotika: "Antibiotikaresistenzen zählen zu den zehn größten Bedrohungen der öffentlichen Gesundheit. Die Fachwelt spricht sogar von einer 'stillen Pandemie'. Es wird geschätzt, dass jährlich in Europa etwa 35.800 Menschen und weltweit rund 1,27 Millionen Menschen an Infektionen mit resistenten Bakterien versterben. Diese Zahl wird 2050 auf zehn Millionen weltweit ansteigen. Neben dem verantwortungsbewussten Umgang mit Antibiotika besteht daher ein dringender Bedarf an neuen wirksamen Antibiotika."