Digitale Vermessungstechnologien für zirkuläres Bauen
Der Bausektor ist für rund 35 Prozent des weltweiten Ressourcenverbrauchs und 40 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Um dem entgegenzuwirken, arbeiten im BMIMI-geförderten Leitprojekt KRAISBAU 32 Partner an neuen Technologien für eine nachhaltige, digitale und zirkuläre Bauwirtschaft. JOANNEUM RESEARCH DIGITAL ist mit innovativen KI-basierten Technologien zur digitalen Bestandsaufnahme vertreten.
Im Zentrum von KRAISBAU steht die Frage, wie bestehende Gebäude möglichst effektiv weiterverwendet werden können - durch Umnutzung, Sanierung und intelligente Renovierung bzw. Ressourcen. Am Beispiel eines leerstehenden Schulgebäudes in Salzburg, das künftig als Innovationsstandort zum Einsatz kommen soll, werden neue Methoden für die Branche praktisch erprobt. Ein Forscherteam von DIGITAL, dem Institut für digitale Technologien der JOANNEUM RESEARCH, führt dabei umfassende Aufnahmen des Gebäudes mit visueller Sensorik (3D-Vermessungen, hyperspektrale Sensorik) durch und liefert so Entscheidungsgrundlagen für eine potenzielle Nutzung.
Reallabor Salzburg: Innovation trifft Bestand:
Die ehemalige Josef-Rehrl-Schule in Salzburg wird von "Innovation Salzburg" als Demoprojekt in KRAISBAU eingebracht. Das landeseigene Gebäude soll durch Sanierung und Zubau zu einem multifunktionalen Innovationsstandort entwickelt werden. Während der Planungsphase dient es als Reallabor für zirkuläres Bauen. "Wir wollen das Gebäude künftig für unsere Organisation und als Ort für Start-ups, Makerspaces und MINT-Förderung nutzen - und dabei testen, wie sich ein Bestandsbau nachhaltig und flexibel weiterentwickeln lässt", erklären Werner Balika und Markus Graggaber von der Innovation Salzburg. "Gemeinsam mit Partnern wie der JOANNEUM RESEARCH setzen wir auf Digitalisierung und Sensorik, um tragfähige Konzepte für die Bauwende zu entwickeln."
Tragbare Laserscanner und intelligente Bildanalyse
Georg Thallinger, Projektleiter von JOANNEUM RESEARCH, erklärt die Vorgehensweise bei der Bestandsaufnahme: "Wir erfassen unter realen Bedingungen mit zwei unterschiedlichen tragbaren 3D-Scannern das gesamte Gebäude, vom Keller bis zum Dach. Das Verfahren ermöglicht die Erstellung von Punktwolken und digitalen Gebäudemodellen, sprich 3D-Modellen. So können wir in dem Projekt zwei Systeme testen: ein kommerzielles kostenintensives und ein sparsames, das wir selbst entwickelt haben."
JR-Forscher Gerald Lodron hat vor Ort die sparsame Variante getestet: "Dieses von uns konzipierte und erstellte mobile System mit mehreren Kameras und LiDAR arbeitet mit preisgünstiger Sensorik und erzielt dabei eine hohe Messgenauigkeit im Bereich von ein bis zwei Zentimetern. Damit schaffen wir die Voraussetzung, um Materialien automatisiert zu erfassen und Rückschlüsse auf Wiederverwendbarkeit und Sanierungspotenzial zu ziehen. Die Erstellung der Punktwolken und weitere Auswertungen erfolgen allerdings erst nach der Aufnahme." Eine Herausforderung für dieses System sind die 60 Räume, diese logisch zu verknüpfen und darzustellen.
Werner Pretscher hat das Gebäude mit einem kostspieligen mobilen 3D-Scanner aus dem Digital Twin Lab der JOANNEUM RESEARCH erfasst. Dieses wird wie eine Steadycam getragen. Die Technologie liefert präzise Daten in Echtzeit und ist besonders geeignet für Bestandsbauten, wie die Josef-Rehrl-Schule, ohne aktuelle Pläne, etwa vor Sanierungen oder Umbauten. Werner Pretscher nennt es "Reality Check": "Mit unserem tragbaren Laserscanner können wir Bestandsgebäude schnell und präzise erfassen. Selbst dann, wenn keine aktuellen Pläne existieren. Die erzeugte Punktwolke ist die Basis für digitale Zwillinge, Bauplanungen - für CAD-Modelle oder auch einen Energieausweis. Und sie wird lokal verarbeitet."
Zusätzlich kommen Kamerasysteme zum Einsatz, die sichtbare und für das menschliche Auge nicht wahrnehmbare Merkmale von Baustoffen analysieren. Diese Kombination aus Farb-, Infrarot- und Wärmebildkameras ermöglicht es, etwa Feuchtigkeitsverteilungen oder Leitungsverläufe sichtbar zu machen, ohne dass dabei etwas zerstört werden muss. Machine-Vision-Experte Malte Jaschik sorgt mit seinen Aufnahmen für detaillierte Einsichten in die Bausubstanz des Altbaus. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz werden diese Daten im nächsten Schritt automatisiert interpretiert- etwa zur Erkennung von Baustoffarten, elektrischen Installationen oder Schadstellen. Malte Jaschik "Dieses Setup erlaubt uns zu bestimmen, ob man den Bestand so verwenden kann, ob Teile abgerissen und recycelt werden können."
Forschung mit direkter Relevanz für die Baupraxis
Das Team von JOANNEUM RESEARCH bringt seine Kompetenzen aus den Bereichen Bildverarbeitung, Sensorik und Recyclingtechnik unter Nutzung innovativer KI-Methoden in das Projekt ein. So werden in enger Zusammenarbeit mit den Partnern KI-basierte Methoden entwickelt, mit denen wiederverwendbare Bauteile automatisiert identifiziert und Baurestmassen analysiert werden können.
Ein zentrales Ziel von KRAISBAU ist der Transfer der gewonnenen Erkenntnisse in die Praxis: Mit Factsheets, Schulungen und digitalen Werkzeugen sollen die Ergebnisse des Projekts möglichst vielen Akteurinnen und Akteuren in der Bauwirtschaft zugänglich gemacht werden. Mehr Informationen und Partner: www.kraisbau.at
Das Projekt KRAISBAU wird über die FFG abgewickelt.
Kontakt: DI Georg Thallinger JOANNEUM RESEARCH DIGITAL - Institut für digitale Technologien Steyrergasse 17, 8010 Graz Tel.: 0664 6028761240 Georg.thallinger@joanneum.at www.joanneum.at/digital
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