Zweite "Dachstein Dialoge" stellen die Frage: "Wer gehört zu uns?"
Nach einem erfolgreichen Auftakt im Vorjahr gehen die "Dachstein Dialoge" in Filzmoos und Ramsau ab 19. September in die zweite Runde - mit einer Ausweitung auf eine Woche und über 30 Veranstaltungen. Das Festival, das der Beschäftigung mit Toleranz in allen Formen gewidmet ist, stellt heuer die Frage: "Wer gehört zu uns?" Behandelt wird sie von Größen aus Kunst und Wissenschaft. Die Eröffnungsrede hält Eva Menasse, soeben mit dem Ehrenpreis des Buchhandels ausgezeichnet.
"Das Interesse vor Ort war riesig, die Atmosphäre war wunderbar", erinnert sich der Historiker, Autor und Journalist Philipp Blom im Gespräch mit der APA voll Freude an den ersten Jahrgang. Die Bürgermeister der Dachstein-Gemeinden Filzmoos und Ramsau waren an ihn herangetreten, und nach anfänglicher Skepsis ("Braucht Österreich wirklich noch ein weiteres Festival?") gab er sein Debüt als Künstlerischer Leiter eines Festivals. Prämisse: "Wir wollen ein Festival machen, das sich primär nicht an Kulturkonsumenten und -konsumentinnen, sondern an die Menschen vor Ort richtet." Es wird also viel geredet und zugehört, inklusive bei der spätabendlichen Nachbesprechung im Wirtshaus, aber anders als etwa im Tiroler Gebirgsort Alpbach ist die Veranstaltung nicht als Begegnung einer internationalen Geisteselite, sondern als Austauschforum mit Input von außen gedacht.
Schwerpunkt Bauernkriege
Toleranz wird bei den Dachstein Dialogen als eine Schlüsselfrage des menschlichen Zusammenlebens begriffen - in Theorie und Praxis, Geschichte und Gegenwart. Ein Schwerpunkt gilt dem 500. Jahrestag der Bauernkriege. "Dieser Konflikt, der in der Dachstein-Region besonders brutal ausgetragen wurde, ist heute unterbelichtet in der Geschichte", ist Blom überzeugt und hat den Historiker und ehemaligen Staatsarchiv-Leiter Wolfgang Maderthaner gebeten, die Bauernkriege in einer Reihe von Seminaren und einem Vortrag aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln zu beleuchten.
Auch später habe sich die Region keineswegs so friedlich wie heute präsentiert, meint Blom. "Die Protestantenvertreibung 1731/32, bei der rund 20.000 Menschen aus dem Pongau vertrieben wurden, war das, was wir heute als ethnische Säuberung bezeichnen." Eine "historische Wanderung" ist Teil des Programms. Begangen und thematisiert wird dabei "die historische Grenze, die es lange Zeit gab - nämlich zwischen Steiermark (Österreich) und dem selbstständigen Fürstentum Salzburg (das erst seit 1816 zu Österreich gehört)", wie es in der Ankündigung heißt: "Die daraus resultierenden religionsgeschichtlichen Unterschiede zwischen der Ramsau und dem angrenzenden Filzmoos stellten lange Zeit auch in den Köpfen der Menschen eine geistige Trennlinie dar."
Gespräche, Vorträge und "Open Concerts"
Umso wichtiger sei es, das Universelle der Überlebensfragen zu betonen, heißt es. Aufgeboten sind dafür in unterschiedlichen Vortrags- und Gesprächsformaten u.a. die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger, die Autorin Solmaz Khorsand, die Juristen Reinhard Klaushofer und Ebrahim Afsah sowie der Jugendpsychiater und Autor Paulus Hochgatterer. Musikalische Beiträge kommen etwa vom Cellisten Reinhard Latzko und dem junge Pianist Anton Gerzenberg. Zur Mittagszeit wird jeweils zum "Open Concert" geladen, bei dem jeder und jede mitmachen kann.
Intellektueller Diskurs in intimer Atmosphäre - das könnte zum Markenzeichen der Dachstein Dialoge werden. Blom: "Es ist etwas, was es so in Österreich noch nicht gab - und was wir gut brauchen können, wenn wir etwas ändern wollen. Wir wollen der demokratischen Kultur neue Energie geben. Das ist heute wahnsinnig wichtig!" Vorerst sind die Dachstein Dialoge für fünf Jahre geplant. "Aber wir haben viele Pläne", versichert der Festivalleiter. "Die Dachstein Dialoge sind gekommen, um zu bleiben."
Service: Dachstein Dialoge, 19. bis 25. September. www.dachstein-dialoge.at