Montanuniversität Leoben forscht am intelligenten Einsatz von Stromspeichertechnologien
Forscher*innen des Lehrstuhls für Energieverbundtechnik an der Montanuniversität Leoben gehen der Frage nach, wie Stromspeichertechnologien intelligenter genutzt und weiterentwickelt werden können, um langfristig eine verlässliche, klimaneutrale Energieversorgung zu ermöglichen - insbesondere in Zeiten der wachsenden Elektrifizierung.
Unser Bedarf an elektrischer Energie wird in den kommenden Jahrzehnten durch verstärkte Elektrifizierung - sprich durch neue E-Mobilitätslösungen, Wärmepumpen sowie durch neue stromversorgte Technologien in der Industrie - massiv steigen. Schätzungen zufolge wird sich allein der Strombedarf in Österreich bis zum Jahr 2040 verdoppeln.
"Österreich hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2040 klimaneutral zu werden. Der Stromsektor spielt dabei eine entscheidende Rolle. Parallel zur Elektrifizierung muss die Stromversorgung de facto auf 100% erneuerbare Energieträger umgestellt werden, durch den Ausbau von Windkraft, Photovoltaik und Wasserkraft. Aber es braucht andererseits auch Maßnahmen, um Übertragungs- wie Verteilernetze zu optimieren", erklärt Thomas Kienberger, Leiter des Lehrstuhls für Energieverbundtechnik an der Montanuniversität Leoben. Der Lehrstuhl befasst sich seit über zehn Jahren mit der Modellierung, Simulation und Optimierung komplexer Energiesysteme. "Unsere Forschung legt den Fokus nicht nur auf Einzeltechnologien, sondern betrachtet sie systemisch eingebettet in wirtschaftliche und soziale Aspekte. Wir arbeiten in kooperativen Projekten, die zentrale Fragestellungen unserer Gesellschaft betreffen. Kurz gesagt, ist ein klimaneutrales Energiesystem unser Ziel", fasst der Energieexperte zusammen.
Energienetze müssen neu gedacht und besser genutzt werden
Im Mittelpunkt der Forschungen steht etwa die Frage, wie Energienetze geplant werden müssen, um eine kosteneffiziente, sichere und klimaneutrale Energieversorgung zu ermöglichen. "Allein das elektrische Netz wird durch den verstärkten Einsatz von erneuerbaren Energien und die zunehmende Elektrifizierung vor erhebliche Herausforderungen gestellt. Deshalb sehen wir uns u.a. die Verteilernetze genau an und leiten daraus innovative Konzepte und Lösungen zur besseren Systemintegration ab, die unterschiedliche Bereiche und Technologien vereinen." Vor allem Energiespeicher erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. In den letzten Jahren wurden insbesondere im privaten Bereich Photovoltaik-Anlagen (PV) installiert, jetzt kommen die Heimspeicher nach. Das zeigen auch Statistiken aus Deutschland: Zahlen der Battery Charts der RWTH Aachen zufolge betrug die installierte Speicherkapazität im Juni 2025 insgesamt über 17 GWh. Für Österreich kann man diese Zahl etwa durch 10 dividieren. "Diese Heimspeicher werden jedoch falsch eingesetzt, da sie ausschließlich dafür verwendet werden, die Eigennutzung des erzeugten PV-Stroms zu optimieren, nicht aber für Arbitrage im Strommarkt. Das ist nicht zielführend", so Kienberger, der weiter ausführt: "Wenn es zwei Tage sonnig ist, laufen die Speicher voll und die PV-Spitze geht ungedämpft ins Netz und muss dann tatsächlich abgefangen werden, indem man voll in Richtung Netzausbau geht, oder abregeln muss. Eine bessere Möglichkeit, um mehr PV mit der bestehenden Netzinfrastruktur zu ermöglichen, ist es, Energiespeicher anders zu bewirtschaften."
Win-Win-Win-Situation
Der Leobener Forscher spricht von einer Win-Win-Win-Situation: "Ein Win für die Netzbetreiber, weil sie sich leichter tun mit dem Netzausbau, da sie wirklich nicht auf das letzte Kilowatt ausbauen müssen. Ein weiterer Win für die Kunden, weil sie diese guten Strompreise nutzen können und einen echten Benefit haben. Und nicht zu vergessen: Ein Win für die Umwelt, da durch dieses System mehr PV-Strom in das Gesamtnetz integriert werden kann", erklärt Kienberger. Diese Win-Win-Win-Situation könne laut Forscher leicht in die Praxis überführt werden. Dazu bräuchte es entsprechende Software-Lösungen, die die optimalen Tarife praktisch in einem Energiemanagement abbildet. Eine Einmalparametrisierung der Heimanlage würde dann das Strommanagement des Energiespeichers, der Wärmepumpe oder des E-Autos steuern, sodass der Speicher zu teuren Zeiten entladen und zu billigen Zeiten aufgeladen wird.
Bereitschaft für Upfront-Investitionen muss steigen
Kienberger: "Man muss erkennen, dass erneuerbare Energie mittlerweile einfach billiger ist als die konventionelle Energie, zudem geringere Risiken in puncto Versorgungssicherheit mitbringt, keine Brennstoffe verbraucht – wenn man jetzt an Wind und Sonnenenergie und Wasserkraft denkt. Der einzige Nachteil, der dem gegenübersteht, ist, dass erneuerbare Energien Upfront-Investitionen benötigen. China und auch Amerika investieren seit Jahren verstärkt in erneuerbare Energiequellen. Um nicht abgehängt zu werden, ist Europa in der Pflicht, Prozessketten so aufzubauen und auszubauen, dass sie für erneuerbare Energien geeignet sind – was uns wieder zurück zum Speicherintegrationsthema führt. Nicht zuletzt, da wir in Zukunft mehr Strom brauchen werden."
Weniger Primärenergie, mehr Strombedarf, zusätzliche Energieträger
Das Stromnetz ist laut Kienberger deshalb so energiehungrig, weil wir fossile Energieträger, die heute oft in ineffizienten Prozessen einsetzt werden, ersetzen. "Wir werden durch die Elektrifizierung in Summe weniger Primärenergie benötigen in Zukunft, da wie bereits gesagt viele Prozesse elektrifiziert werden können. Das erhöht aber den Strombedarf, der hierzulande nach Stand 2023 bei 70.30 TWh lag. Diesen Mehrbedarf an elektrischer Energie werden wir lokal in Österreich und in Mitteleuropa erzeugen. Dazu haben wir genügend Potenziale. Was wir aber benötigen werden, sind zusätzliche, erneuerbare Energieträger, für jenen Teil des Energiesystems, der sich nicht elektrifizieren lässt", so Kienberger. Dem Forscher zufolge ist hier insbesondere die Industrie hervorzuheben. Dort wird der Einsatz von Erdgas, Erdöl und Kohle zurückgehen und verstärkt in Richtung Wasserstoff gehen. Kienberger gibt zu bedenken: "Dieser Wasserstoff, den wir teilweise auch importieren werden müssen, wird in naher Zukunft noch relativ teuer bleiben. Deshalb wird er vorerst für Anwendungen in der Stahl- und Chemieindustrie und für ausgewählte Wärmeanwendungen verwendet werden – aber nicht morgen, auch nicht übermorgen, sondern das wird ein bisschen dauern. Aber da gilt dasselbe wie beim Ausbau des Energienetzes: Wir sollten uns jetzt vorbereiten, um später gerüstet zu sein."
Weitere Informationen: Univ.-Prof. Dr. Thomas Kienberger Leiter am Lehrstuhl für Energieverbundtechnik Montanuniversität Leoben Tel.: +43 3842 402 5400 E-Mail: thomas.kienberger@unileoben.ac.at Kontakt: Mag. Christine Adacker Pressesprecherin | Marketing and Communication Montanuniversität Leoben Tel.: +43 3842/402-7224 Mobil: +43 664 808987224 E-Mail: Christine.adacker@unileoben.ac.at