Knapp an 1,5-Grad-Grenze betonen Forscher Verpflichtung zu Paris-Ziel
Am Beginn des Jahres teilte der Klimawandeldienst des EU-Programms Copernicus mit, dass 2024 der Temperaturmittelwert des vorindustriellen Zeitalters erstmals im Schnitt um 1,5 Grad überschritten wurde. Postwendend gab es Diskussionen, ob nun das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens obsolet sei. Ein klares Nein formulieren nun Forschende in einem Beitrag im Fachjournal "Science". Sie sehen eine "rechtliche und ethische Verpflichtung", das 1,5-Grad-Ziel weiterzuverfolgen.
Um die Pariser Einigung wurde um das Jahr 2015 lange gerungen. Am Ende stand dann aber die grundsätzliche Zustimmung dazu, die Erderwärmung oder Erderhitzung "deutlich unter" zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu halten und Anstrengungen darauf zu richten, das weltweite Durchschnittsplus auf 1,5 Grad zu begrenzen (1,5-Grad-Ziel). Nun zeigen die globalen Temperaturaufzeichnungen allerdings eine deutliche Annäherung an letztere Marke und ein Überschießen selbiger im vergangenen Jahr.
Viele Fragen rund um 1,5-Grad-Marke
Unter Forschenden wird jetzt immer wieder betont, dass daraus noch nicht geschlossen werden kann, dass die 1,5-Grad-Grenze schon nachhaltig überschritten wurde. In ihrem Kommentar sprechen Joeri Rogelj vom Imperial College London und dem Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien und Lavanya Rajamani von der Oxford University davon, dass auf Basis der aktuellen Daten die Chancen, die Erwärmung auf besagtes Plus zu begrenzen, "grundsätzlich gering" seien. Die globale Erwärmung könnte auch schon heute über der Marke liegen. Momentan "geht unsere zentrale Schätzung davon aus, dass die 1,5-Grad-Grenze im nächsten Jahrzehnt überschritten wird", schreiben die Autoren.
Trotz alldem dürfe man nicht vergessen, dass die zugrunde liegenden Überlegungen, die hinter dem Ziel stehen, "sich nicht ändern", wenn dieses überschritten ist oder wird. Die Idee war und ist es, die schlimmsten drohenden Auswirkungen des menschgemachten Klimawandels, der mittlerweile vielerorts stark spürbar ist, durch die Eindämmung des Temperaturzuwachses in halbwegs verträglichem Ausmaß zu halten. Selbst bei einem Plus von 1,5 oder zwei Grad Celsius seien die Klimarisiken hoch. Zum Vergleich: Der am Dienstag veröffentlichte "Zweite Österreichische Sachstandsbericht zum Klimawandel" (AAR2) weist für Österreich im Schnitt bereits ein Plus von 3,1 Grad Celsius im Vergleich zum Jahr 1900 aus.
Klimabericht zeigt, wie stark Österreich schon betroffen ist
Damit ist Österreich eines der Länder, die sich schon jetzt "deutlich stärker als der globale Schnitt" erhitzen. Und die Erwärmung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich auf ein Plus von rund 0,5 Grad pro Jahrzehnt beschleunigt. Infolge dessen steigt die Frequenz, in der Extremwetterereignisse wie Dürren und Starkniederschläge, aber auch Spätfrost auftreten. Hitzewellen wurden im Vergleich länger und intensiver, wie dem AAR2 zu entnehmen ist. Die verheerenden Überschwemmungen im Osten des Landes im vergangenen September werden von Expertinnen und Experten oft als eine Art beispielhafter Vorbote drohender negativer Effekte angeführt.
In ihrem "Science"-Kommentar weisen Rogelj und Rajamani einmal mehr darauf hin, dass jeder Anstieg um ein Zehntelgrad die Verluste und Schäden durch die Auswirkungen des Klimawandels vergrößert und die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass wichtige Erdsysteme wie die großen Eisschilde, die großen Meeresströmungen oder die Regenwälder kippen. Wissenschafter sprechen hier vom Erreichen von Kipppunkten, von denen ausgehend sich die Erhitzung wahrscheinlich von selbst weiter beschleunigt.
Forscher weisen auf positive Effekte von Pariser Einigung hin
"Die Aussicht, dass die globale Erwärmung 1,5 Grad erreicht wird, ist zutiefst besorgniserregend", schreiben die Autoren, die vor "eskalierenden" Risiken und Auswirkungen oberhalb dieser Marke sprechen, die sozial schwächere und vulnerable Gesellschaftsgruppen überproportional treffen. Die Pariser Klimaeinigung und der bisherige Versuch, die Ziele umzusetzen, hätten jedenfalls eine nicht unerhebliche Wirkung erzielt: So wiesen die Projektionen davor auf eine Erhitzung von um die vier Grad zum Ende des Jahrhunderts hin. "Momentan liegt diese Schätzung als Resultat der Klimapolitik, die seither ausgerollt wurde, rund ein Grad Celsius tiefer." Auch wenn die geopolitische Landschaft heutzutage schwierig sei, gehe es weiter darum, "den Planeten als sicher und lebenswert für die heutigen und künftigen Generationen" zu bewahren.
Science: Das Kommentar in "Science": https://dx.doi.org/10.1126/science.ady1186; AAR2: https://aar2.ccca.ac.at