Gebärmutterhalskrebs - Zusätzliche Wege der Krebsentstehung entdeckt
Gebärmutterhalskrebs zählt weltweit nach wie vor zu den häufigsten Krebserkrankungen bei Frauen. Infektionen mit dem durch Sexualkontakte übertragenen Humanen Papilloma Virus (HPV) gelten als Hauptursache. Forschende der Medizinischen Universität Graz haben einen HPV-unabhängigen Weg zur Krebsentstehung gefunden. Und sie haben eine weitere HPV-assoziierte Krebsvorstufe enthüllt, teilte die Med Uni Graz am Donnerstag mit.
Im Rahmen der gynäkologischen Vorsorgeuntersuchung können am Gebärmutterhals Gewebeveränderungen, sogenannte Läsionen, entdeckt werden. Sie können harmlos sein und sich von selbst zurückbilden, aber auch Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs sein. Als überwiegende Ursache wird eine Infektion mit dem HPV-Virus angesehen. Die weit verbreiteten unterschiedlichen Stämme des HPV-Virus können im Zusammenspiel mit weiteren Kofaktoren wie z. B. Rauchen die Schädigung der Schleimhaut am Gebärmutterhals hervorrufen, die sich dann innerhalb von Jahren zu Krebs entwickeln kann.
Dünne HSIL als echte Krebsvorstufe im Zylinderepithel
Bisher war noch unklar, ob "dünne high-grade squamöse intraepitheliale Läsionen" (dünne HSIL) auch als echte Krebsvorstufen gelten können. Die nun vom Grazer Forscherteam im Fachjournal "Laboratory Investigation" veröffentlichte Studie habe nun erstmals einen "genetischen Beweis" vorgelegt, hieß es seitens der Med Uni Graz: Demnach zeigen dünne HSIL ähnliche Veränderungen im Erbgut und in der Genaktivität wie bösartige und fortgeschrittene Tumorerkrankungen. Die Forschenden erkennen darin einen Beleg, dass es sich bei dünnen HSIL um frühe Formen des HPV-bedingten Gebärmutterhalskrebs handelt.
"Wir konnten außerdem zeigen, dass sich diese häufige HPV-assoziierte Krebsvorstufe nicht wie bisher angenommen im Plattenepithel der äußeren Schleimhaut am Gebärmutterhals, sondern im Zylinderepithel, die innere Schleimhaut des Gebärmutterhalses, ohne Vorstufen von leichten Veränderungen entwickelt", ergänzte Olaf Reich, Leiter der Dysplasie- und Forschungseinheit der Klinischen Abteilung für Gynäkologie der Med Uni Graz. HSIL wirken unter dem Mikroskop zumeist wenig auffällig, Biomarker erleichtern aber die Diagnostik.
Seltene HPV-unabhängige Vorstufe
Das interdisziplinäre Grazer Team hat zudem Schleimhautveränderungen am Gebärmutterhals beschrieben, die sich unabhängig von HPV zu Krebs entwickeln können: Die sogenannten "differenzierten zervikalen intraepithelialen Neoplasien" (d-CIN) ähneln in ihrem Erscheinungsbild Krebsvorstufen an der Vulva und sind selten. "Wir belegen damit erstmals, dass es tatsächlich HPV-unabhängige Formen von Gebärmutterhalskrebs gibt", so Sigrid Regauer vom Diagnostik- & Forschungsinstitut für Pathologie an der Med Uni Graz, die die Studie im "Journal of Surgical Pathology" publiziert hat. "Damit widerlegen wir auch die sogenannte 'Hit-and-run'-Theorie, wonach HPV ursprünglich an der Tumorentwicklung beteiligt war, später aber beim Tumorwachstum verloren geht", erklärte die Forscherin.
Kandidat für molekularbiologische Therapien
HPV-unabhängige Karzinome seien aufgrund der dahinterliegenden spezifischen Gendefekte Kandidaten für neue, zielgerichtete molekularbiologische Therapien. "Mit ihnen verbindet sich die Hoffnung, einerseits die HPV-unabhängig entstandenen Krebszellen im Gebärmutterhals wirkungsvoll aufhalten zu können und andererseits weniger Nebenwirkungen in Kauf nehmen zu müssen", erklärte Reich.
In Österreich erkranken jährlich etwa 400 Frauen an Gebärmutterhalskrebs. Laut dem Dachverband der Sozialversicherungsträger (DVSV) fordert die Erkrankung nach wie vor in etwa 140 Todesopfer pro Jahr. Dank Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen mit HPV-Tests und Pap-Abstrichen ist die Krankheit rückläufig - vorausgesetzt, sie wird rechtzeitig erkannt.
Service: "Copy Number Profiling Implicates Thin High-Grade Squamous Intraepithelial Lesions as a True Precursor of Cervical Human Papillomavirus-Induced Squamous Cell Cancer", https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0023683724017860?via%3Dihub; "The Histologic and Molecular Spectrum of Highly Differentiated HPV-independent Cervical Intraepithelial Neoplasia", : https://journals.lww.com/ajsp/fulltext/2023/08000/the_histologic_and_molecular_spectrum_of_highly.11.aspx )