Steigende Hochwassergefahr - Expertenwarnung vor Geoforschertreffen
Ab Sonntag (27. April bis 2. Mai) geben einander rund 20.000 Forscherinnen und Forscher bei der Generalversammlung der European Geosciences Union (EGU) in Wien die Klinke in die Hand. "Aufgrund des Klimawandels müssen wir uns leider verstärkt auf Naturgefahren wie Hochwasser, Stürme und Dürre einstellen", wird die Präsidentin der EGU "Division für Naturgefahren", Heidi Kreibich, in einer Aussendung des Austria Center Vienna als Veranstaltungsort der Großkonferenz zitiert.
Wie sich die Wahrscheinlichkeit auf Extremereignisse wie Starkregen und darauf folgende Überschwemmungen vor allem in Europa erhöht, haben in den vergangenen Monaten und Jahren zahlreiche Studien aufgerollt. Als Paradebeispiele für die zunehmenden Gefahren gelten u.a. das massive Hochwasser vom September 2024 vor allem in weiten Teilen Ostösterreichs oder die verheerenden Überschwemmungen im deutschen Ahrtal im Jahr 2021. Im Rahmen von sogenannten Attributionsstudien, die Daten zu ähnlichen Wetterlagen in der Vergangenheit nutzen und diese statistisch mit Klimasimulationen abgleichen, wurde bereits mehrfach gezeigt, dass die mittlerweile deutlich erhöhten Durchschnittstemperaturen und die damit einhergehenden Veränderungen im Klima- und Wettersystem einen messbaren Beitrag leisten.
Nord-Süd-Gefälle in Österreich
Was früher als Ereignis gegolten hat, das im Schnitt nur in etwa alle 1.000 Jahre auftritt, hat heute mitunter eine deutlich kürzere Auftrittswahrscheinlichkeit, rechneten Experten bereits vor mehreren Jahren auch im Rahmen des alljährlich in Wien stattfindenden größten einschlägigen Wissenschaftertreffen Europas vor. Österreich liegt punkto Hochwassergefahr mehr oder weniger exakt auf einer Weggabelung: Im Fachblatt "Science" konnte schon 2017 ein Team um den an der Technischen Universität (TU) Wien tätigen Hydrologen und früheren EGU-Vorsitzenden, Günter Blöschl, erstmals den Einfluss des Klimawandels anhand von umfassenden Daten klar zeigen.
So wurden und werden unüblich hohe Pegelstände im Norden Europas im Schnitt häufiger, während im Süden des Kontinents die Dürregefahr weiter steigt. Für Österreich gilt, dass sich die Gefahr für größere Hochwässer im Norden des Landes tendenziell weiter erhöhen wird. Im Süden hingegen bleibe die Wahrscheinlichkeit in etwa gleich.
Multirisiken verlangen vorausschauendes Handeln
Erst im März zeigten österreichische Wissenschafterinnen und Wissenschafter in einer Analyse zweier über 100 Jahre laufender Messreihen, dass kurzfristige Starkregenereignisse hierzulande heute merklich mehr Niederschlag mit sich bringen als das noch im Jahr 1980 der Fall war. Die Experten stellten die weltweit erste derart detaillierte Arbeit zu dem Thema im Fachjournal "Nature" vor.
Wenn es nun vermehrt zu Ereignissen kommt, "die man vorher in dem Ausmaß noch nie erlebt hat", sei dies entsprechend "kritisch", so Kreibich. Trotzdem sei das Bewusstsein dafür, dass "Deiche und Rückhaltebecken eine obere Auslegungsgrenze" haben und ihre Wirksamkeit verlieren, wenn diese überschritten ist, vielerorts noch nicht ausreichend entwickelt. Risikomanagement werde "in der Regel nach großen Hochwassern und Dürreperioden reaktiv eingeführt oder angepasst, während proaktive, vorausschauende Strategien selten sind. Hinzu kommt, dass wir uns zukünftig auf Multirisiken wie zuerst die Dürre, dann das Hochwasser, einstellen müssen", so die Forscherin vom Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam. Österreich ist in dem Bereich aufgrund der Erfahrungen bei den großen Sommerhochwässern 2002 und 2013 vor allem entlang der Donau mittlerweile recht gut aufgestellt, wie Expertinnen und Experten immer wieder betonen.
Uni Wien-Geozentrum öffnet Türen
Wie die Wissenschaft bei Hochwasserrisikoanalysen und -management unterstützen kann, ist eines der Themen der EGU-Konferenz. Dazu kommt traditionell ein weit gespannter thematischer Bogen, der neben geologisch-erdwissenschaftlichen Analysen u.a. auch neue Erkenntnisse zu Umweltbelastungen und -katastrophen, zur klimatischen Entwicklung oder auch zu neuen Daten von Weltraummissionen beinhaltet. Die "EGU25" und den "Planet Earth Day" am gestrigen Dienstag nimmt etwa auch die Universität Wien zum Anlass, am Sonntag ihr Geozentrum im neunten Wiener Gemeindebezirk für interessierte Laien zu öffnen: Bei einem "Markt der Wissenschaften" wird nachmittags "gemeinsam geforscht, diskutiert, erlebt, gespielt und entdeckt", heißt es in einer Aussendung.
Service: Website der EGU25: https://www.egu25.eu/; Informationen zur Veranstaltung an der Uni Wien: https://go.apa.at/98pi2QCA und https://go.apa.at/o1vK4Qvp