AGES: One Health - Eine Gesundheit für alle
Es ist eine Illusion, dass Menschen in Österreich oder anderswo auf der Welt gesund leben können, wenn ringsum Tiere, Umwelt und Klimasystem kränkeln, erklärten Experten im Gespräch mit APA Science. Man müsse sich gleichzeitig um ihr aller Wohlergehen kümmern. Auf einer Fachtagung der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) werden sie diskutieren, wie man "Eine Gesundheit für alle" (One Health) hierzulande besser umsetzen kann.
Derzeit breitet sich etwa das Vogelgrippevirus H5N1 weltweit aus, das für Wildtiere hochproblematisch ist, aber auch die Landwirtschaft und sogar die menschliche Gesundheit gefährdet, sagte der österreichische Virologe Florian Krammer, der am Ignaz Semmelweis Institut in Wien sowie der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York (USA) forscht. "Es hat bei gefährdeten Vögeln schon ganze Populationen zum Absterben gebracht", berichtete er: "Von Wildvögeln kam es vielfach in Geflügelbetriebe und verursachte dort erhebliche Schäden."
Virus kann von Vögeln zu Säugetieren überspringen
Auch Säugetiere, die infizierte Wildvögel fressen, wie Füchse in Europa und Bären, Kojoten sowie Waschbären in den USA, wurden von H5N1 infiziert. Wenn sich das Virus in Säugetieren vermehrt, kann es sich zunehmend an Säugetiere anpassen und dadurch immer infektiöser für diese werden. "Das ist in den vergangenen Jahren etwa schon in Pelztierfarmen in Europa, wie zum Beispiel Spanien und Finnland passiert", erklärte Krammer. Sogar Kühe waren in den USA schon betroffen.
Natürlich gehören Menschen ebenfalls zu den Säugetieren, was sie auch in das "Beutespektrum" dieser Vogelgrippeviren bringt. Infektionen mit H5N1 bei Menschen waren zwar bisher selten, aber hochgefährlich, so der Experte: "Etwa fünfzig Prozent der Betroffenen sind historisch daran gestorben." Glücklicherweise wird das Virus aber nicht von Menschen zu Menschen weitergegeben. Bei dem momentan weltweit zirkulierenden Vogelgrippevirus handelt es sich um eine neue Variante, die die Bezeichnung "Klade 2.3.4.4b" trägt. "In den USA hat es schon relativ viele Infektionen damit in Menschen gegeben, in Europa nur ein paar wenige", sagte Krammer: "Die Erkrankungen sind bei dieser Variante aber meist relativ mild." Dazu gehören etwa leichte Atemwegsbeschwerden und Augeninfektionen etwa bei Landwirtinnen und Landwirten, die infizierte Kühe melken und dabei mit Viren kontaminierte Milchspritzer in die Augen bekommen. Allerdings gab es auch mit dieser neuen Variante von H5N1 schon schwere Erkrankungen und Todesfälle.
Gefährliche Doppelinfektionen
"Die größte Gefahr besteht, wenn sich Menschen mit saisonalen Influenzaviren infizieren, und zusätzlich mit der Vogelgrippe", erklärte der Experte. Dann könnte in den menschlichen Zellen das Erbgut der beiden Virenarten neu kombiniert werden. Im schlimmsten Fall zu einem Krankheitserreger, der sich so gut wie das saisonale Influenzavirus in Menschen vermehrt, und die dem menschlichen Immunsystem kaum bekannte Hülle des Vogelgrippevirus trägt. Ein solches Virus könnte eine Pandemie auslösen. Menschen, die viel Kontakt mit gefährdeten Tieren haben, wie Veterinärmedizinerinnen, Geflügelbauern und Jägerinnen, sollten daher eine Impfung gegen die saisonale Influenza unbedingt in Erwägung ziehen.
Für Hühner ist ebenfalls ein Impfstoff verfügbar, und zwar gegen H5N1. "Er wird zum Beispiel in Frankreich erfolgreich angewendet", so Krammer: "Andererseits gibt es in Österreich die Möglichkeit, dass sich Leute in Risikogruppen mit einem H5-Impfstoff immunisieren lassen", sagte er: "Dies schützt natürlich auch vor solchen Infektionen."
Fuchstollwut in Europa ausgerottet
"Es gibt viele Krankheiten, die zwischen Tieren und Menschen übertragen werden", sagte Jakob Zinsstag vom Swiss Tropical and Public Health Institute in Allschwil (Schweiz): "Wenn wir uns bei der Bekämpfung nur auf den Menschen konzentrieren, können wir sie nie ausrotten." Stattdessen müsse man sich darum kümmern, dass sie bei den Tieren nicht mehr vorkommen. Das habe zum Beispiel bei der Fuchstollwut in Europa gut funktioniert. Dafür wurden Impfköder für die Tiere mit der Hand ausgelegt oder vom Flugzeug abgeworfen. "Die Füchse haben diese gefressen, sind dabei geimpft worden und waren dadurch nicht mehr empfänglich für die Tollwut", so der Veterinärmediziner: "So konnte ganz Westeuropa sukzessive Tollwut frei gemacht werden."
Damit solche Aktionen von Erfolg gekrönt sind, ist eine rigorose Zusammenarbeit entscheidend, erklärte er: "Wir haben zum Beispiel mit einem Modellversuch gezeigt, dass man auch in Afrika die Tollwut ausrotten kann, wenn alle Länder dort zusammenarbeiten und koordiniert alle Hunde impfen." Macht aber ein einziges Land nicht mit, würde dies nicht klappen. Es gäbe einen "unglaublichen Gewinn, wenn alle kooperieren", so Zinsstag. Solchen konnte man zum Beispiel auch im Jahr 2011 feiern, als auf diesem Kontinent die Rinderpest ausgerottet wurde. "Wenn die Bereitschaft zur Kooperation da ist, können wir also Probleme lösen, die wir alleine nicht lösen können", sagte er: "Das funktioniert auf verschiedensten Ebenen: Auf Gemeinde-, Provinz-, nationaler und auch internationaler Ebene."
Überwachung in Umwelt, Nutztieren und Menschen wichtig
Auch bei der Überwachung, wo vielleicht solche zwischen Tier und Menschen übertragbare Krankheiten ausbrechen, wird es immer wichtiger, überall gleichzeitig Ausschau zu halten, also in der Umwelt bei Mücken und Wildtieren, sowie Nutztieren und Menschen, berichtete der Experte: "In der norditalienischen Region Emilia Romagna gibt es beispielsweise schon ein integriertes Überwachungssystem für Mücken, Wildvögel, Pferde und den Menschen, das hervorragend funktioniert." Man sollte es deshalb europaweit, wenn nicht weltweit einführen.
"In Österreich haben wir etwa für das West-Nil-Virus eine gemeinsame Überwachung im veterinär- und humanmedizinischen Bereich", sagte AGES-Geschäftsführer Johannes Pleiner-Duxneuner. Das Virus wird durch Gelsen übertragen, als natürliches Reservoir fungieren über 300 Vogelarten. Menschen und etwa Pferde können ebenfalls erkranken. "Wenn bei den Tieren gehäuft Ausbrüche auftreten, kann man davon schließen, dass dies bald Auswirkungen für die menschliche Gesundheit hat", so der Experte. Durch solch eine integrierte Überwachung wäre es freilich möglich, Vorsorgemaßnahmen bei den Tieren oder in der Umwelt zu treffen, damit es im besten Fall gar nicht zu einer Übertragung auf Menschen kommt.
Gemeinsame fundierte Meinung gefragt
In der Umwelt lagern sich auch Chemikalien an, die möglicherweise irgendwann negative Auswirkungen auf die Menschen haben, erläuterte Pleiner-Duxneuner. Um solche Risiken besser abschätzen zu können, bräuchte es mehr Zusammenarbeit etwa zwischen Umweltchemikerinnen, Medizinern und Ökologen. Sie sollten eine gemeinsame Linie und wissenschaftlich fundierte Meinung bilden, wie gefährlich oder schädlich solche Substanzen tatsächlich sind, was aktuell leider nicht immer der Fall sei, wie zum Beispiel bei den sogenannten "Ewigkeitschemikalien" namens PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen). Sie wurden zunächst für unbedenklich gehalten, mutierten dann aufgrund wissenschaftlicher Evidenz und nachgewiesener weiter Verbreitung in der Umwelt zum Öko-Thema. Nun rücken sie vermehrt in den Fokus der Medizin, weil Effekte bei Menschen nicht auszuschließen sind.
Auch Wetterphänomene wie Hitze können direkt die menschliche Gesundheit beeinflussen, so Pleiner-Duxneuner. Außerdem fördern sie manchmal die Ausbreitung von Krankheiten, indem sie etwa die Vermehrung von Überträgern wie Stechmücken begünstigen. In die Modelle und Überwachungssysteme müsse man demnach die Gesundheit von Menschen, Tieren, Pflanzen und der Umwelt inklusive dem Klima einbeziehen, sagte Zinsstag: "Das ist heutzutage methodisch möglich, aber revolutionär, weil es uns zwingt, sowohl die akademische Ausbildung, wie auch die Art, wie Regierungen und Behörden aufgestellt sind, neu zu denken." Grundsätzlich gäbe es etwa zwischen Ministerien weniger Kommunikation als Budgetkämpfe. "Hier brauchen wir eben ein neues Denken, das Silodenken oder Gartendenken übersteigt", so der Experte. Stattdessen sollte man immer das große Ganze in den Blick bekommen und dort behalten.
Bei der AGES passiert dies seit der Covid-19-Krise vermehrt und nach System, berichtete Pleiner-Duxneuner: "Wir haben immer noch die einzelnen Geschäftsfelder wie Ernährungssicherheit, öffentliche Gesundheit, Tiergesundheit und Risikobewertung, sie arbeiten aber viel mehr zusammen und übergreifend." Er sehe die österreichische Organisation in einer Vorreiterrolle, weil sie von vornherein all diese Themen unter einem Dach vereint. "In anderen europäischen Ländern gibt es etwa zehn Behörden oder mehr dafür", sagte er: "Das macht die Arbeit dort wohl um einiges schwieriger." Aber bei den EU-Organisationen für die verschiedenen Fachbereiche sehe man vermehrte Zusammenarbeit, erklärte er.
EU operationalisiert "One Health"
Die Europäische Union ist sehr daran interessiert, "One Health" zu operationalisieren und setzt sehr bewusst Schritte in diese Richtung, so Zinsstag. Als weltweit führend sieht er hier Kanada. Dort gibt es zum Beispiel bereits integrierte Überwachungssysteme für Antibiotika, aber auch für Seuchenbekämpfung bei Mensch und Tier, berichtete er: "Europa ist aber auch in einer führenden Position und sollte diese noch ausbauen."
Die Tagung One Health: Building Bridges findet am dritten und vierten November in Wien statt. Internationale ExpertInnen und politische Entscheidungsträger werden dort diskutieren, wie das One Health-Konzept in Österreich besser umgesetzt werden kann, so die AGES: Es soll dadurch auch eine Diskussions- und Vernetzungsplattform entstehen, damit die vielen beteiligten Organisationen vermehrt miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten.
(Dies ist eine entgeltliche Veröffentlichung der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit im Rahmen einer Medienkooperation. Die redaktionelle Letztverantwortung liegt bei APA-Science.)
Service: Tagung One Health: Building Bridges