Experte zur Kollision von Schwarzen Löchern neu am ISTA
In den letzten Monaten blieb Zoltan Haiman nicht unbemerkt am Campus in Klosterneuburg, und einige Kolleg:innen haben bereits die Gelegenheit genutzt, sich mit ihm auszutauschen. Seine Professur am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) als etablierter Experte für Astronomie ist zwar erst im Juli dieses Jahres in Kraft getreten, doch Haiman war bereits seit Jänner als Visiting Professor am ISTA tätig. Sein Weg zum Institut führte ihn an einige der renommiertesten Universitäten und Forschungseinrichtungen der USA und Großbritanniens: MIT, Harvard, Cambridge, Princeton und zuletzt Columbia.
Im Mittelpunkt seines Interesses stehen die seltsamen kosmischen Objekte im Zentrum der Galaxien: Schwarze Löcher. Er interessiert sich besonders dafür, was mit Schwarzen Löchern passiert, wenn Galaxien kollidieren. „Es ist mittlerweile allgemein anerkannt, dass sich im Zentrum fast jeder Galaxie ein großes Schwarzes Loch befindet. Außerdem wissen wir, dass Galaxien im Laufe der kosmischen Geschichte durch Kollisionen und Verschmelzungen entstanden sind. Daraus folgt, dass eine neu entstandene Galaxie, die aus einer Verschmelzung hervorgegangen ist, zunächst zwei nukleare Schwarze Löcher hat“, erklärt Haiman. Daher will er mit seiner Gruppe den genauen Mechanismus verstehen, der zur Kollision und Verschmelzung von Schwarzen Löchern führen könnte.
Ein dunkler kosmischer Tanz
Haiman und seine Gruppe gehen davon aus, dass sich die Schwarzen Löcher einander ausreichend nähern müssen, um die Anziehungskraft des jeweils anderen zu ‚spüren‘. Dann beginnen sie, sich gegenseitig zu umkreisen und bilden ein Binäres System. Der nächste logische Schritt in diesem dunklen kosmischen Tanz ist, dass die beiden Schwarzen Löcher zu einem einzigen, größeren Schwarzen Loch verschmelzen. Haiman und seine Gruppe wollen jedoch wissen, ob dies überhaupt geschieht und wenn ja, wie genau. „Mit diesem Wissen könnten wir die wachsenden Schwarzen Löcher, die wir in den Zentren von Galaxien beobachten, besser erklären.“ Derzeit sind alle diese Aspekte möglicher Kollisionen zwischen Schwarzen Löchern noch unbekannt. Die Haiman Gruppe am ISTA wird die von ihnen ausgestrahlte Strahlung und die dabei entstehenden Wellen im Weltraum, sogenannte Gravitationswellen, untersuchen. „Wir hoffen auch mithilfe von Computersimulationen solche binären Schwarzen Löcher in künftigen groß angelegten astronomischen Vermessungen identifizieren zu können.“
Ein ERC Advanced Grant und eine neue Satelliten-Dreiecksbeziehung
Haiman hatte im Juni einen starken Start, als er sich einen Advanced Grant vom Europäischen Forschungsrat (ERC), der renommierten Forschungsförderungs-Organisation der Europäischen Kommission, sicherte. Diese Förderung in Höhe von insgesamt 2,6 Millionen Euro über fünf Jahre wird es seiner Gruppe ermöglichen, ihren Forschungsfragen näher zu kommen. Mithilfe theoretischer Modelle und fortschrittlicher Computersimulationen wird sein Team am ISTA die Signale vorhersagen, die binäre Schwarze-Loch-Systeme während ihres Verschmelzungsprozesses aussenden. Dies wird dazu beitragen, sie in der Flut von Daten zu identifizieren, die bei großen astronomischen Vermessungen üblicherweise anfallen.
Darüber hinaus wird diese großzügige Förderung dazu beitragen, Daten von zukünftigen Gravitationswellendetektoren wie der Laser Interferometer Space Antenna (LISA) zu interpretieren –einem Satelliten, der von der Europäischen Weltraumorganisation geführt wird, in Zusammenarbeit mit der NASA und einem internationalen Konsortium von Wissenschafter:innen. Anfang dieses Jahres wurde Haiman zum Complementary Scientist im LISA-Wissenschaftsteam ernannt. Im Rahmen dieser Ernennung wird er mit seiner unabhängigen Beratung die wissenschaftliche Expertise des Teams erweitern und zur Erreichung der Missionsziele beitragen. „LISA wird eine Konstellation aus drei Satelliten sein, die sich von allen Teleskopen, selbst denen im Weltraum, stark unterscheiden wird, da sie nur auf die durch die Raumzeit wandernden Wellen empfindlich reagiert. Meine Forschung hat gezeigt, dass, wenn dieselben Objekte, vor allem Doppel-Schwarze-Loch-Systeme, die solche Gravitationswellen erzeugen, auch von herkömmlichen Teleskopen entdeckt werden, diese ergänzenden Erkenntnisse zu erstaunlichen Entdeckungen und einem besseren Verständnis sowohl dieser Quellen als auch des Universums im Allgemeinen führen können. Meine Aufgabe im LISA-Wissenschaftsteam wird es sein, diese gemeinsamen Entdeckungen zu ermöglichen.“ Der Start der drei Raumfahrzeuge von LISA ist für 2035 geplant.
Das ISTA weltweit führend in der Astronomie machen
Neben seinen vielfältigen Forschungsaktivitäten hat der erste jahrzehntelang etablierte Experte für Astronomie am ISTA ehrgeizige Pläne für eines der jüngsten Forschungsgebiete des jungen Instituts. „Ich möchte dazu beitragen, die Astronomie erfolgreich als eines der spannenden Forschungsgebiete aufzubauen, in denen das ISTA als weltweit führend gelten wird“, sagt er. „Ich habe das Glück, vier hervorragende junge Kolleg:innen zu haben. Manchmal tue ich gerne so als wäre ich einer von ihnen, obwohl ich ja einige Jahre älter bin als sie!“
Lisa Bugnet, Ilaria Caiazzo, Ylva Götberg, Jorryt Matthee und Haiman bilden nun ein fünfköpfiges Team von (Assistenz-)Professor:innen in der Astrophysik am ISTA. Gemeinsam haben sie die einmalige Chance, ihr Forschungsgebiet am äußerst vielfältigen Forschungsinstitut von Grund auf mitzugestalten. „Viele Faktoren zeichnen das ISTA aus. Über die bereitgestellten Ressourcen hinaus ist das Umfeld äußerst förderlich für die Forschung. Die interdisziplinäre Atmosphäre mit engen täglichen Kontakten zwischen den Fachbereichen ist sehr anregend“, so Haiman.
Von Europa in die USA und zurück
Der aus Budapest stammende Forscher hat einige der renommiertesten Universitäten und Forschungseinrichtungen der USA durchlaufen, darunter die letzten 23 Jahre als Mitglied des Lehrkörpers der Columbia University in New York. „Wenn ich nach den Jahren gehe, die ich in jedem Land gelebt habe, bin ich zu zwei Dritteln Amerikaner und zu einem Drittel Ungar“, sagt Haiman. Er absolvierte sein Bachelorstudium am MIT, promovierte 1998 in Astronomie an der Harvard University, nachdem er ein Jahr als Isaac Newton Fellow an der University of Cambridge in Großbritannien verbracht hatte, und war als Postdoktorand am Fermilab und an der Princeton University tätig. Anschließend trat er 2002 in den Lehrkörper des Department of Astronomy der Columbia University ein und wurde 2013 zum ordentlichen Professor ernannt. Im Jahr 2022 wurde er außerdem Professor am Department of Physics der Columbia University. „Der Wechsel zum ISTA ermöglichte mir auch die Rückkehr nach Europa, was sicherlich auch einer der ausschlaggebenden Faktoren war.“
In seiner Freizeit läuft Haiman gerne Langstrecken, fährt Rad, wandert, spaziert durch Wien und probiert lokale Weine. „Allerdings wird es gut ein Jahr dauern, bis ich mich eingelebt habe. Bis dahin werde ich meine Freizeit wohl vorerst an Orten wie IKEA verbringen.“