80 Jahre Kriegsende - Forschungen zum Auswärtigen Dienst vorgestellt
Vor 80 Jahren, am 16. April 1945 nahm der österreichische Auswärtige Dienst seinen Betrieb auf. Inmitten des Chaos der ersten Tage nach der Schlacht um Wien, nachdem er im Jahr 1938 durch die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich aufgelöst worden war. Anlässlich des 80-jährigen Jubiläums wurde am Mittwoch das Forschungsprojekt "1938 - 1945 und danach: Die Angehörigen des österreichischen Auswärtigen Dienstes" in Wien vorgestellt.
Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS), die wegen des gleichzeitig stattfindenden Ministerrats nicht persönlich an dem Symposion teilnahm, betonte in einer Videobotschaft, dass "ein reflektierter Blick zurück" für jede Gesellschaft und auch für jede Institution wichtig sei. "Denn nur wer seine eigene Geschichte ernst nimmt, kann glaubwürdig für Werte eintreten - national und international", sagte Meinl-Reisinger.
Hannah Lessing, die Vorständin des Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus und Beiratsmitglied, sprach von einem "Projekt mit Leuchtturmcharakter", weil es "Beispiel gibt und Bewusstsein schafft". Die Aufarbeitung der NS-Zeit und die kritische Auseinandersetzung mit seiner eigenen Geschichte brauche Mut, betonte Lessing. Weitere Beiratsmitglieder sind die Historiker Manfried Rauchensteiner und Klaus Eisterer.
Erste Entnazifizierung im April 1945
Der Projektverantwortliche und Leiter des historischen Referats im Außenministerium, David Schriffl, erläuterte, dass der Auswärtige Dienst nur drei Tage nach der Schlacht von Wien und drei Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs im zerbombten Bundeskanzleramt seinen Dienst aufgenommen habe. In dem Forschungsprojekt wird die Zeit von 1933 bis 1970 beleuchtet. Am 16. April 1945 fand "eine erste selbstständige Entnazifizierung statt", berichtete Schriffl. "Nicht alle, die sich zum Dienst gemeldet haben, wurden akzeptiert." Weniger als 67 österreichische Diplomaten wurden zuvor nach 1938 in den Dienst des Deutschen Auswärtigen Amtes übernommen, berichtete der Historiker Siegfried Göllner.
Göllner befasste sich mit der Transformation des österreichischen Auswärtigen Dienstes als Institution und den Rahmenbedingungen für den personellen Umbau in der NS-Zeit und den Umgang mit den Jahren 1938 bis 1945 in der Zweiten Republik. Untersucht wurde etwa auch der Umgang des Außenamtes mit der NS-Vergangenheit im Zuge der Reorganisation ab 1945. Ein zentraler Forschungsaspekt bildet dabei die Analyse der Personalpolitik hinsichtlich der Wiederaufnahme von ehemaligen NSDAP-Mitgliedern einerseits und von Gegnern und Opfern des Nationalsozialismus andererseits.
Die Historikerin Barbara Sauer widmete sich den Schicksalen einzelner Diplomaten. Bereits publizierte biografische Informationen werden mit unveröffentlichtem Material aus Archiven und online verfügbaren Quellen zusammengeführt und eine Datenbank mit 357 Personen erstellt. Am Ende des Projekts Ende April 2026 soll eine Publikation entstehen.
Viele Grauzonen
Das Fazit der Forscher bisher: Es gebe viele Grauzonen und nicht alles sei quantifizierbar, sagte Göllner. "Es gibt Personen, die man als Opfer sehen kann oder als Täter beziehungsweise Mitläufer." 1954 waren 17 ehemalige NSDAP-Mitglieder im höheren Auswärtigen Dienst, weil sie als "minderbelastet" amnestiert wurden. Ein Beispiel dafür war der Diplomat und "Mitläufer" Wilfried Platzer, der 1940 Mitglied der NS-Partei wurde. Weil es einst Vorbehalte der NSDAP gegen ihn gab und er erklärt hatte - was aber nicht belegt ist, dass die Parteimitgliedschaft aufgelöst wurde, wurde ihm von einer Sonderkommission eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt. Platzer wurde 1947 wieder in den Diplomatischen Dienst aufgenommen. Später wurde er österreichischer Botschafter in Washington und auch Generalsekretär im Außenministerium.