Psychische Gesundheit in Schulen: Persönlichkeitsbildung gefordert
Angesichts des besorgniserregenden Zustands der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen fordern Experten mehr Persönlichkeitsbildung in den Schulen. Während dieser Ansatz von der OECD bereits als wirksamer Weg der Prävention erkannt wurde, fehle im deutschsprachigen Raum eine koordinierte Bildungsstrategie, so Roland Bernhard von der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) Wien/Niederösterreich. Unterstützung kommt vom Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP).
Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz von KPH und ÖBVP anlässlich einer Konferenz zum Thema wurde am Montag auf zahlreiche Forschungsergebnisse verwiesen, die eindeutig zeigen würden, dass Persönlichkeitsbildung Resilienz stärkt, schulische Leistungen fördert und das Sozialverhalten langfristig verbessert. "Das macht sie zu einem Gamechanger in der Bildungspolitik", meinte Bernhard. Entscheidend sei, dass die Persönlichkeitsbildung ideologiefrei bleibe und sich auf allgemein anerkannte Charakterstärken wie Mut, Dankbarkeit, Integrität oder Respekt konzentriere.
Thema nicht Influencern überlassen
Junge Menschen würden nach Persönlichkeitsbildung lechzen, wie man an der Verbreitung von Coachings und der wachsenden Zahl entsprechender Influencer in den sozialen Medien sehe, "aber es wäre wichtig, das Thema nicht den Influencern zu überlassen, sondern in die Schulen zu bringen", fordert der Experte. Natürlich brauche es in akuten Krisen auch psychotherapeutische Hilfe und Amokläufe wie jenen in Graz werde man kaum dadurch verhindern, aber Persönlichkeitsbildung verbessere nachweislich das Schulklima und auch die schulische Leistung von Kindern und Jugendlichen, so Bernhard.
"Unsere Kinder wollen nicht nicht mehr leben, sie haben oft einfach Angst vor dem Leben, weil sie nicht wissen wie", formulierte die ÖBVP-Präsidentin Barbara Haid in Bezug auf den signifikanten Anstieg bei Suizidgedanken und tatsächlichen Suiziden bei Kindern und Jugendlichen in den vergangenen Jahren. Als präventive Maßnahme sei die Beziehung der Schülerinnen und Schüler zu den Lehrpersonen von zentraler Bedeutung, so Haid. Wichtig sei dabei, dass Persönlichkeitsbildung kein Projekt in Form eines Zusatzfaches, sondern ein Grundsatz sein müsse.
Praxisbeispiel aus England zeigt auch bessere schulische Leistungen
Beachtliche Erfolge zeigt ein Praxisbeispiel, das der einstige englische Schuldirektor und nunmehrige internationale Bildungsberater Gary Lewis präsentierte. Als Direktor gelang es ihm mit einem starken Fokus auf Persönlichkeitsbildung eine Brennpunktschule innerhalb von zehn Jahren aus dem Feld der leistungsmäßig schlechtesten drei Prozent der landesweiten Schulen in jenes der besten 29 Prozent zu führen. Zentral sei dabei gewesen, die Schulkultur neu zu erfinden und effektive Beziehungen zu den Eltern sowie zwischen Lehrpersonen und Schülerinnen und Schülern herzustellen, so Lewis. Charakterbildung müsse dabei nicht als Zusatzfach unterrichtet werden, sondern alles umfassen, was die Schule mache. Wichtig sei dabei Geld für die Lehrerfortbildung und auch die Sozialarbeit, um Familien zu unterstützen.
Ins selbe Horn stößt der Bundesverband für Psychotherapie, der die von der Regierung angekündigte Verdoppelung der Zahl der Schulpsychologinnen und -psychologen prinzipiell begrüßt. Es brauche aber noch viel mehr Unterstützungspersonal in den Schulen in Form von Sozial- und Familienarbeit, denn das Lehrpersonal könne nicht alles stemmen, so Haid.