Düngerproduktion neu gedacht
Stickstoff ist überlebenswichtig - besonders für Pflanzen. Deshalb ist die Stickstoffverbindung Ammoniak ein zentraler Teil von Dünger. Ammoniak wird überwiegend auf Basis von fossilen Rohstoffen und nicht erneuerbaren Energien hergestellt. Alexander Opitz von der Technischen Universität (TU) Wien und sein Team sind in einem FWF-geförderten (2021-2024) Projekt auf der Suche nach Alternativen.
Ammoniak (NH3) ist eine der meistproduzierten Chemikalien mit einer Vielzahl von Anwendungen. Weltweit werden jährlich rund 150 Mio. Tonnen Ammoniak hergestellt. Stickstoff (N2) ist ein Bestandteil der Atmosphäre, zur Ammoniaksynthese ist noch Wasserstoff (H2) notwendig. Für die H2-Produktion werden aktuell hauptsächlich fossile Rohstoffe eingesetzt. Zusätzlich braucht es für die energieintensive Ammoniakproduktion, auf die 1,4 Prozent der CO2-Emissionen und ein Prozent des Energieverbrauchs weltweit entfallen, ebenfalls fossile Energieträger.
Da sich das eingesetzte Verfahren (Haber-Bosch) erst in großem Maßstab rentiert, konzentriert sich die weltweite Ammoniakproduktion den Angaben zufolge auf nur etwa 100 industrielle Anlagen. Hier sieht Opitz Einsparpotenzial: "Wir haben das Projekt gestartet, weil wir mit unserer Expertise in Elektrochemie eine neue Form der Ammoniakerzeugung entwickeln möchten, die erneuerbare Energie und Rohstoffe nutzt." Eine der größten Schwierigkeiten dabei sei, die enorm stabilen Stickstoffmoleküle in der Atmosphäre aufzubrechen und mit Wasserstoffatomen zu verbinden, um Ammoniak zu erzeugen.
"Anstatt mit viel Energieaufwand Wasserstoffgas mit Hunderten Bar Druck zu erzeugen, damit es sich an den Stickstoff binden kann, nutzen wir die Prozesse an den Elektroden elektrochemischer Zellen - ähnlich der Elektrolyse. Wir arbeiten an einem thermo-dynamischen Äquivalent zu dem üblichen Prozess mit sehr hohem Druck", erläutert Opitz die Idee. Bei der Elektrolyse erzwingt elektrischer Strom eine chemische Reaktion an einer Elektrode. "In unserem Versuchsaufbau nutzen wir ein besonderes keramisches Elektrodenmaterial. Im Gegensatz zu vielen anderen Materialien kann es sowohl negativ geladene Elektronen als auch positiv geladene Protonen leiten", so der Elektrochemiker.
Hoher Druck durch elektrische Spannung
In Kombination mit einem protonenleitenden Elektrolyten zwischen den Elektroden kann Wasserstoff durch die elektrochemische Zelle gepumpt und dessen effektiver Druck an der Elektrode mit der angelegten elektrischen Spannung beeinflusst werden. Im Experiment wird zuerst Wasserstoffgas zu einer Seite des keramischen Elektrolyten gebracht. An der dort befindlichen Elektrode verlieren die H2-Atome ihr einziges Elektron und übrig bleibt der Atomkern. Dieses Proton bewegt sich innerhalb des Elektrolyten. Die angelegte elektrische Spannung zwingt die positiv geladenen Protonen auf die andere Seite des Elektrolyten, wo sich die zweite Elektrode befindet. Dort entsteht hoher Wasserstoffdruck, der für die Ammoniak-Produktion benötigt wird.
"Das ist unser der Trick. Wir können Wasserstoff unter hohen Druck setzen, indem wir einfach elektrische Spannung anlegen. Die Energie dafür kann dann auch aus erneuerbaren Quellen kommen", so Opitz. Auf der Oberfläche des Kathodenmaterials sei zudem noch ein Katalysator angebracht, der helfe, die stabilen Stickstoffmoleküle aus der Luft aufzubrechen und mit Wasserstoff zu verbinden.
Wasserstoff aus Wasser
"Es gab viele Probleme zu lösen und wir haben auch noch viel Arbeit vor uns", erklärt Opitz. Als einen der nächsten Schritte arbeiten die Forschenden an der Auswahl des besten Katalysators und an der Integration einer nachhaltigen Quelle für Wasserstoff in ihr Verfahren. "Bisher wird ein Großteil des Wasserstoffs aus fossilem Erdgas gewonnen. Wir möchten unser Verfahren erweitern, um den Wasserstoff direkt aus Wasser zu erzeugen", sagt Opitz.
Zwar sei man noch am Anfang der Forschung, in dem Projekt gehe es aber auch darum, Daten zu sammeln, die zeigen sollen, wie man hin zu einem wirtschaftlich darstellbaren Einsatz des Systems kommen könnte, erklärte Opitz gegenüber APA-Science. Vorstellbar sei etwa, dass die Ammoniakproduktion dezentral organisiert werde. "Unsere Technologie lässt sich relativ einfach skalieren. Zum Beispiel könnten landwirtschaftliche Betriebe dann mit einer kleinen Anlage Ammoniak für ihren lokal benötigten Dünger selbst erzeugen", erzählt Opitz.