Wiener Forscher ermöglichen Materialien mit minimaler Wärmeausdehnung
Materialien, die unabhängig von der Temperatur immer die gleiche Länge haben, sind etwa in der Luft- und Raumfahrt oder bei hochpräzisen elektronischen Bauteilen sehr gefragt. Forscher der Technischen Universität (TU) Wien haben nun zusammen mit Kollegen aus China mittels Computersimulationen eine Legierung aus mehreren Metallen entwickelt, die sich verschwindend gering ausdehnt.
"Je höher die Temperatur in einem Material, umso stärker bewegen sich die Atome - und wenn sich die Atome stärker bewegen, brauchen sie mehr Platz, der durchschnittliche Abstand zwischen ihnen nimmt zu", erklärte Sergii Khmelevskyi vom Vienna Scientific Cluster (VSC) Forschungszentrum an der TU Wien in einer Aussendung. Die Wärmeausdehnung lasse sich nicht verhindern, könne aber durch Materialien, in denen ein anderer, entgegengesetzter Effekt wirkt, fast ausgeglichen werden.
Computersimulationen zeigen Verhalten auf atomarer Ebene
Invar, eine Legierung aus Eisen und Nickel, hat beispielsweise eine sehr geringe Temperaturausdehnung. Schon länger bekannt ist, dass die magnetische Ordnung im Material dafür verantwortlich ist. Konkret ändern bestimmte Elektronen bei steigender Temperatur ihren Zustand. Das Material zieht sich zusammen, weil die magnetische Ordnung im Material abnimmt, was die übliche Wärmeausdehnung fast exakt aufhebt.
Mittels Computersimulationen analysierte ein Team um Khmelevskyi das Verhalten auf atomarer Ebene und konnte dadurch die Details dieses Vorgangs sehr genau verstehen. Auf Basis dieser bereits 2023 im "Journal of Physical Chemistry C" publizierten Arbeiten konnten die Wissenschafter auch Vorhersagen für andere Materialien möglich machen.
Pyrochlor-Magnet dehnt sich kaum aus
Für einen Praxistest arbeiteten sie mit Forschern der Beijing University of Technology (China) zusammen. Ergebnis war ein sogenannter Pyrochlor-Magnet, der aus Zirkonium, Niob, Eisen und Kobalt besteht. Bei dieser Legierung ändert sich die Länge pro Grad über einen Temperaturbereich von über 400 Grad nur um rund ein Zehntausendstel von einem Prozent, geht aus der im chinesischen Fachjournal "National Science Review" akzeptierten, aber noch nicht publizierten Arbeit hervor.
Ursache dafür ist, dass manche Bereiche etwas mehr Kobalt enthalten als andere. Diese Teilsysteme reagieren den Angaben zufolge unterschiedlich auf Temperaturänderungen. Dadurch lasse sich die Materialzusammensetzung so ausbalancieren, "dass sich insgesamt eine Temperaturausdehnung von fast genau null ergibt".
Service: Arbeit im National Science Review: https://doi.org/10.1093/nsr/nwae462; The Journal of Physical Chemistry C: https://doi.org/10.1021/acs.jpcc.3c07037)