Die Europäische Weltraumorganisation (ESA) feiert 2025 ein rundes Jubiläum und das IWF Graz gratuliert
Seit einem halben Jahrhundert dient die Europäische Weltraumorganisation (ESA) Europa als Raumfahrtagentur. Am 30. Mai 1975 wurde das Übereinkommen zur Gründung einer Europäischen Weltraumorganisation von zehn Staaten unterzeichnet: Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Schweden, Schweiz und Spanien. Österreich kam 1987 als vollwertiges Mitglied dazu. Inzwischen ist die ESA auf 23 Mitgliedstaaten, zwei assoziierte Mitglieder und einen kooperierenden Staat angewachsen. Die ESA leistete in den vergangenen Jahrzehnten einen wichtigen Beitrag zur Erforschung des Weltraums und trug dazu bei, Europa technologisch unabhängiger zu machen. Für das Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) zählt sie zu den wichtigsten Kooperationspartnern, der die Teilnahme an zahlreichen internationalen Missionen zur Erforschung der Planeten innerhalb und außerhalb unseres Sonnensystem ermöglicht hat.
Das IWF Graz an Bord von ESA-Missionen
Mit wissenschaftlichem Knowhow und hochpräzisen Weltraum-Messinstrumenten trägt das IWF an Bord zahlreicher Raumsonden zur Erforschung unseres Sonnensystems und unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, bei. Als verlässlicher Partner internationaler Weltraumagenturen, insbesondere mit der ESA, bringt das Institut Österreich seit mehr als 50 Jahren erfolgreich ins All und blickt auf eine bewegte Geschichte, viele Erfolge und zahlreiche Meilensteine zurück.
Vergangenheit
Insgesamt war das IWF an über 40 Weltraummissionen beteiligt und entwickelte dafür mehr als 100 Fluginstrumente. Knapp die Hälfte aller Missionen stand unter der Leitung der ESA. Für das europäische Weltraumlabor Spacelab 1 an Bord des Space Shuttles Columbia entwickelte das IWF ein Magnetometer, das dem Institut erstmals die Gelegenheit bot, das Magnetfeld der Erde vom Weltraum aus experimentell zu studieren. Im Rahmen der Mission Cassini/Huygens zu Saturn und seinem Mond Titan war das IWF an Bord der ESA-Landesonde am Aerosolanalysator, dem Blitzdetektor und der Datenauswertung des Massenspektrometers beteiligt. Für die vier Cluster-Satelliten zur Erforschung der Magnetosphäre der Erde lieferte das Institut je eine Satelliten-Potenzialregelung und trug zu den Magnetometern, den Elektronenstrahlinstrumenten und wissenschaftlich zu Instrumenten zur Messung von Elektronen- und Ionenspektren bei. Das IWF berechnete das Empfangsverhalten des Radar-Antennensystems von Mars Express, der ersten Marssonde der ESA.
An Bord des Kometenjägers Rosetta/Philae leitete das IWF die Entwicklung eines Rasterkraftmikroskops und war an einem Instrument zur physikalischen Untersuchung der Kometenoberfläche, einem Spektrometer zur Staubanalyse in der Koma und zwei Magnetometern beteiligt. Auch beim erstem Flug der ESA zur Venus war das IWF in vorderster Reihe mit dabei: Es lieferte für Venus Express ein Magnetometer und war an einem Ionenspektrometer beteiligt. Zum französischen Weltraumteleskop COROT - die erste Exoplanetenmission für das IWF - steuerte das Institut ein Rechnersystem zur Selektion der wissenschaftlich relevanten Bildinformationen bei. Der ESA-Satellit GOCE bestimmte das Gravitationsfeld unseres Planeten mit einer bisher noch nicht da gewesenen Genauigkeit von wenigen Zentimetern Geoidhöhe. Das IWF war in enger Kooperation mit der TU Graz an der Berechnung von globalen Schwerefeldmodellen beteiligt.
Gegenwart
Mit der europäisch-japanischen Mission BepiColombo fliegen zwei Raumsonden zum sonnennächsten Planeten Merkur. Das IWF hat die Federführung beim Magnetometer auf dem japanischen Orbiter. An Bord des europäischen Orbiters ist das IWF für das Ionenspektrometer verantwortlich und an einem weiteren Magnetometer beteiligt. Im Mittelpunkt der Untersuchungen werden das planetare Magnetfeld und dessen dynamische Wechselwirkung mit dem dort noch sehr starken Sonnenwind stehen.
Wissenschaftliche Beiträge des IWF zu BepiColombo:
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Teubenbacher, D., W. Exner, M. Feyerabend, Y. Narita, D. Schmid, et al.: Solar wind entry into Mercury"s magnetosphere: Simulation results for the second swingby of BepiColombo, Astron. Astrophys., 681, A98, 2024.
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Volwerk, M., T. Karlsson, D. Heyner, C. Goetz, C. Simon Wedlund, et al.: Magnetic holes between Earth and Mercury: BepiColombo cruise phase, Astron. Astrophys., 677, A2, 2023.
CHEOPS - ein Kleinsatellit, der unter der Leitung der Universität Bern und der ESA von einem internationalen Konsortium entwickelt und gebaut wurde - ist die erste Weltraummission, deren Ziel es ist, Exoplaneten im Detail zu charakterisieren. Das IWF zeichnet für einen der beiden Bordrechner verantwortlich, der den gesamten Datenverkehr abwickelt und zusätzlich die thermische Kontrolle des Teleskops übernimmt.
Wissenschaftliche Beiträge des IWF zu CHEOPS:
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A. Deline, P. E. Cubillos, L. Carone, B.-O. Demory, M. Lendl, et al.: Dark skies of the slightly eccentric WASP-18 b from its optical-to-infrared dayside emission, accepted for publication in Astron. Astrophys., 2025.
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Krenn, A.F., D. Kubyshkina, L. Fossati, J.A. Egger, A. Bonfanti, et al.: Characterisation of the TOI-421 planetary system using CHEOPS, TESS, and archival radial velocity data, Astron. Astrophys., 686, A301, 2024.
Für die ESA-Mission Solar Orbiter entwickelte das IWF den Bordcomputer für das Radiowelleninstrument und kalibrierte dessen Antennen sowie das Magnetometer, das hochpräzise in-situ-Messungen macht, um zu untersuchen, wie sich das Magnetfeld der Sonne in den interplanetaren Raum ausbreitet und im Laufe des Sonnenzyklus verändert.
Wissenschaftliche Beiträge des IWF zu Solar Orbiter:
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Perrone, D., A. Settino, S. Perri, R. D'Amicis, R. De Marco, et al.: Solar Orbiter observations of proton and alpha particle kinetic signatures related to the presence of switchbacks in the inner heliosphere: A case study, Astrophys. J., 973, 171, 2024.
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Volwerk, M., T.S. Horbury, L.D. Woodham, S.D. Bale, C. Simon Wedlund, et al.: Solar Orbiter's first Venus flyby: MAG observations of structures and waves associated with the induced Venusian magnetosphere, Astron. Astrophys., 656, A11, 2021.
JUICE wird die drei Eismonde des Jupiters – Kallisto, Europa und Ganymed – mit insgesamt zehn wissenschaftlichen Instrumenten mindestens drei Jahre lang im Detail erforschen, um mehr über die Größe und Zusammensetzung ihrer von einer Eisschicht bedeckten Ozeane zu erfahren. Das IWF lieferte in Kooperation mit der TU Graz das Quanteninterferenzmagnetometer, kalibrierte die Antennen des Radiowelleninstruments und ist Mitglied im Team des Teilchenspektrometers.
Wissenschaftliche Beiträge des IWF zu JUICE:
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Volwerk, M., M. McGrath, X. Jia, T. Spohn: Ganymede, Cambridge University Press, Cambridge UK, 368 pages, 2025.
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Amtmann, C., A. Pollinger, M. Ellmeier, M. Dougherty, P. Brown, et al.: Accuracy of the scalar magnetometer aboard ESA"s JUICE mission, Geosci. Instrum. Method. Data Syst., 13, 177-191, 2024.
Qualifikationsmodell der SXI-Elektronikbox (© IWF/Manfred Steller).
Zukunft
SMILE wird die Wechselwirkung zwischen dem Sonnenwind und der Erdmagnetosphäre näher erforschen. Das IWF ist mit Hardware am Soft X-ray Imager und wissenschaftlich am Magnetometer beteiligt.
Zum Weltraumteleskop PLATO steuert das IWF eine Router and Data Compression Unit bei und leitet die Work Packages Habitabilität von Planeten, Wolken- und Gaschemie von Planetenatmosphären sowie 3D-Modellierung des Exoplanetenklimas.
ARIEL wird sich mit fundamentalen Fragen nach den Bestandteilen von Exoplaneten und der Entstehung und Weiterentwicklung von Planetensysteme beschäftigen. Das IWF ist an zwei wissenschaftlichen Arbeitspaketen beteiligt.
Comet Interceptor wird erstmals einen unbekannten Kometen oder ein unbekanntes interstellares Objekt charakterisieren. Im Rahmen des Dust-Fields-Plasma-Pakets wird das IWF gemeinsam mit dem Imperial College London das Magnetometer auf dem Sub-Satelliten B2 bauen und für das Massenspektrometer auf der Mutterraumsode (A) steuert das Institut die Prozessoreinheit samt Software bei.
Das wichtigste wissenschaftliche Ziel der Mission ARRAKIHS ist die Erforschung der dunklen Materie im Universum. Die Mission ermöglicht aber auch Fortschritte in der Exoplanetenforschung. Angesichts der hochpräzisen photometrischen Fähigkeiten kann ARRAKIHS für Mulit-Band-Transitbeobachtungen von bereits bekannten Exoplaneten genutzt werden. Das IWF ist federführend beim Bau der EBOX, dem wichtigsten elektronischen Teilsystem, das die wissenschaftlichen Beobachtungen der vier bildgebenden Sensoren sammelt, mit der Raumsonde kommuniziert und die Teleskope auf ihrer optimalen Temperatur hält.
Im Rahmen von Vigil liegt die Hauptverantwortung des IWF in der Herstellung und dem Test der Stromversorgungseinheit sowie der Kalibrierung des Fluxgate-Magnetometers für die Überwachung des Sonnenwinds sowie für die Erkennung und Charakterisierung von Hochgeschwindigkeits-Sonnenwindströmen.
Das Weltraumteleskop NEWATHENA soll detaillierte Daten über das energiereiche Universum liefern, wird aber auch den Einfluss stellarer Aktivität auf die potentielle Habitabilität von Exoplaneten untersuchen. Das IWF ist an einem der beiden Instrumente beteiligt - dem Wide Field Imager, einem Detektor auf Siliziumbasis.
Die ESA zu Besuch am IWF GrazChristiane Helling (links) und Andreas Geisler (rechts) empfingen Carole Mundell (Mitte) 2023 in Graz (© IWF/Alexandra Scherr).
Die ESA zu Besuch am IWF Graz
Eine besondere Ehre für das IWF war der Besuch von Prof. Dr. Carole Mundell. Der erste Österreichbesuch der Wissenschaftsdirektorin der ESA führte sie im September 2023 in die steirische Landeshauptstadt Graz, wo sie ihr Wissenschaftsprogramm präsentierte und sich gleichzeitig ein Bild vom aktuellen Stand der Weltraumforschung und Astrophysik in Österreich machen konnte.
Im Jahr darauf war Prof. Mundell Ehrengast der Sommerschule Alpbach. Sie hielt einen Vortrag über unseren Platz im Universum und gab bei einem Kamingespräch Einblick in ihren Werdegang, Karrieremöglichkeiten und ihre Visionen für die europäische Raumfahrt.
Das IWF wird das 50-jährige Jubiläum der ESA auch gebührend feiern. "Wir widmen dem Geburtstagskind die diesjährige Vortragsreihe Graz in Space (GiS) und haben uns ein buntes Programm ausgedacht, das auf ein halbes Jahrhundert Zusammenarbeit mit der ESA zurück-, aber auch in die Zukunft blicken wird", freut sich IWF-Direktorin Christiane Helling.
Ö1 Space Day
Der ORF feiert fünf Jahrzehnte europäische Raumfahrt mit dem Ö1 Space Day am 22. Mai 2025. Zur Einstimmung befasst sich ab Montag, 19. Mai, täglich ab 9.05 Uhr eine "Radiokolleg"-Reihe mit "den nächsten Schritten ins All". In Folge 3 ist am 21. Mai IWF-Gruppenleiter Michael Steindorfer zu hören.
Am 22. Mai wird um 11.05 Uhr eine Reportage über das IWF gesendet und ab 18.25 Uhr live aus dem Wiener Planetarium gesendet, wo Josef Aschbacher, Generaldirektor der ESA, Dieter Grebner, CEO von Peak Technology und Astrospace-Präsident, sowie Christiane Helling ein Podiumsgespräch über Österreich als Teil der internationalen Raumfahrt führen werden.
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