"Biodiversitäts-Hotspot" Südtirol laut Langzeit-Studie unter Druck
Ein breit angelegtes Biodiversitätsmonitoring des Forschungsinstituts Eurac Research in Bozen hat Südtirol eine "außergewöhnlich hohe biologische Vielfalt" attestiert - diese stehe jedoch unter Druck. Die intensive landwirtschaftliche Nutzung, Urbanisierung und der Klimawandel würden Lebensräume stark verändern. Zwar seien "punktuelle Verbesserungen" beobachtet worden, "eine Trendwende zur Erholung" sei aber noch nicht zu erkennen, hieß es am Mittwoch von den Forschern.
"Südtirol verfügt über einen beeindruckenden Schatz an Biodiversität", hielt Projektleiterin Ulrike Tappeiner zu den ersten nun veröffentlichten Ergebnissen fest. Seit 2019 erhebt Eurac Research nach einem Auftrag der Südtiroler Landesregierung systematisch Daten zur Arten- und Lebensraumvielfalt. An 320 Standorten am Land und 120 Standorten am Wasser wurden Analysen durchgeführt.
"Schatz" kann nicht voll bewahrt werden
Allerdings gelinge es nicht, "diesen Schatz in vollem Umfang zu bewahren", meinte der Biologe Andreas Hilpold. Insbesondere in den Talsohlen seien Lebensräume stark verändert worden. "Monokulturen, häufiges Mähen, der Einsatz von Dünger und Pestiziden haben einst artenreiche Flächen verarmt", hieß es. Besonders betroffen seien Tier- und Pflanzenarten, die an Mager- und Feuchtwiesen gebunden sind. Intensives Grünland, Apfelanlagen und Siedlungsgebiete würden keinen ausreichenden Ersatz für verloren gegangene extensive Lebensräume bieten.
In den Hochlagen würden "hochspezialisierte alpine Arten zunehmend verdrängt", nachdem gletschernahe Lebensräume verschwinden. Stattdessen wandern "wärmeliebende Arten" ein. Im städtischen Bereich breiten sich indes invasive Arten aus, die in naturnahe Gebiete vordringen. Auch der Zustand von Feuchtlebensräumen und Gewässern wurde beobachtet. Es gebe zwar trotz der vielen trockengelegten Moore und Auwälder durch punktuelle Schutzmaßnahmen "Hotspots der Artenvielfalt". Diese seien jedoch oft "isoliert und ökologisch instabil".
Südtirols Wälder entwickelten sich oft naturnah
Positives hatten die Forscher jedoch aus Südtirols Wäldern zu berichten. Weil traditionelle Nutzungsformen wie die Waldweide oder das Sammeln von Laub und Ästen als Einstreu für Stalltiere (sogenannte Streunutzung) weitgehend aufgegeben wurden und in abgelegenen Gebieten heute deutlich weniger Holz geschlagen wird, konnten sich vielerorts naturnähere Waldstandorte entwickeln. Dadurch seien Lebensräume für Fledermäuse und Spechte geschaffen worden. In tieferen Lagen stünden Wälder jedoch aufgrund ihrer intensiven Nutzung mehr unter Druck.
Forscher formulieren Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität
Die Wissenschafter schlugen auf Basis ihrer Erkenntnisse Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität vor. Sie empfahlen etwa das Bewahren und Fördern der extensiven Bewirtschaftung von Wiesen und Weiden mit später Mahd und geringer Düngung. Zudem sollten naturnahe Strukturen wie Hecken und Trockensteinmauern in Kulturlandschaften gefördert werden. Auch der Schutz von vielfältig aufgebauten Wäldern sowie die Wiederherstellung von Feuchtlebensräumen und natürlichen Flussläufen wurde empfohlen. Im Siedlungsraum könnten konsequente Begrünung und Lichtreduktion einen Beitrag leisten. Invasive Arten sollten in allen Lebensräumen eingedämmt werden.