Mondstaubwolken als potenzielle Gefahr für Raumfahrzeuge
Forscher des Instituts für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie (ÖAW) der Wissenschaften präsentieren in der Fachzeitschrift "Geophysical Research Letters" eine mögliche Ursache für die Gefährdung von Mondmissionen. Die Untersuchung der Sternbedeckungen durch den Mond während der letzten 400 Jahre rückte Mondstaubwolken in geringer Höhe in den Fokus.
Mondmissionen vielfach fehlgeschlagen
Mondmissionen und vor allem die Mondlandung sind eine komplexe und herausfordernde Aufgabe. Es ist also nicht verwunderlich, dass nicht alle Versuche erfolgreich sind. Warum es jedoch immer wieder zu Ausfällen kommt, ist ein bisher nicht vollständig gelöstes Rätsel. In den 1960er und 1970er Jahren lag die Fehlerquote bei den Mondlandesonden und -fahrzeugen bei 53 % und auch der technische Fortschritt brachte keine Verbesserung. In den letzten fünf Jahren, von 2019 bis 2024, gingen 11 von 19 Lander- und Rover-Missionen verloren, das sind 57 %. Darunter waren der israelische Beresheet-Lander, der indische Vikram-Lander mit dem Pragyan-1-Rover an Bord von Chandrayaan-2, der japanische Hakuto-R-Lander mit den Rovern SORA-Q und Rashid (Vereinigte Arabische Emirate), der russische Luna-25-Lander und der US-amerikanische Peregrine-Lander mit den fünf mexikanischen Colmena-Rovern und dem Iris-Rover (USA). Bei anderen Missionen kam es zu verschiedenen Fehlfunktionen. So brach sich beispielsweise der Lander Nova-C Odysseus an Bord von IM-1 (USA) beim Aufsetzen auf der Mondoberfläche ein Bein, während der Kontakt zur ausgeworfenen EagleCam verloren ging. Der japanische Lander SLIM hatte während des Abstiegs Triebwerks- und Kommunikationsprobleme, landete dadurch nicht korrekt und konnte seine Solarpaneele nicht richtig ausrichten.
Wenn Mondstaubwolken Sternbedeckungen verursachen
Die vielen missglückten Mondmissionen motivierten die IWF-Forscher dazu, mögliche physikalische Ursachen zu untersuchen. Sie konzentrierten sich dabei auf Mondstaubwolken. Diese lassen sich entweder aus der Ferne durch Streuung des Sonnenlichts oder vor Ort durch Raumsonden detektieren und treten unterschiedlich lange, in unterschiedlichen Höhen und mit unterschiedlichen physikalischen Parametern auf. Auf diese aufmerksam wurden die Forscher, weil sie Anomalien in den Okkultationen entdeckten.
Als Okkultation - auch Bedeckung oder Verfinsterung genannt - wird das Vorbeiziehen eines scheinbar größeren Himmelskörpers vor einem anderen bezeichnet. Das häufigste dieser Phänomene sind Sternbedeckungen durch den Mond, die (Amateur-)Astronom:innen beobachten können. Dabei verschwindet der Stern schlagartig hinter dem Mond und taucht später auf der anderen Seite ebenso plötzlich wieder auf. Dadurch dass der Mond keine Atmosphäre besitzt, kommt es zu einem abrupten Lichtabfall bzw. -anstieg des Sterns.
490.000 Aufzeichnungen in 400 Jahren
"Bei unseren Untersuchungen konnten wir auch beobachten, wie die Lichtkurve nicht plötzlich – wie bei dem atmosphärenlosen Mond üblich – sondern allmählich abfiel und wieder anstieg", so IWF-Forscher Maxim Khodachenko, einer der beiden Autoren. "Dies könnte auf dichte Staubwolken in niedriger Höhe zurückzuführen sein." Gemeinsam mit seinem Kollegen O.V. Arkypov untersuchte er den cislunaren, also zwischen Erde und Mond gelegenen, Staub und analysierte lang andauernde anomalen Sternbedeckungen durch den Mond, die im Lunar Occultation Archive gesammelt werden. Diese Open-Source-Datenbank enthält rund 490.000 Aufzeichnungen von Sternbedeckungen, die von bodengestützten Beobachtungen während der letzten 400 Jahren gemessen wurden. "Unser Ansatz ist derzeit der einzige, der einen globalen Überblick über die veränderliche Staubumgebung des Mondes in niedriger Höhe liefert", betont Khodachenko. "Die potenziell gefährlichen kompakten und dichten Staubwolken können von viel höher fliegenden Raumsonden oder auch Landerobotern nicht wahrgenommen werden", setzt er fort.
Meteoriteneinschläge als Ursache für anomale Sternbedeckungen
Die statistische Analyse räumlicher und zeitlicher Merkmale der lang andauernden anomalen Sternbedeckungen ergab, dass die meisten der zugehörigen verdunkelnden Staubwolken die Form einer ca. 1 Kilometer großen Einschlagswolke hatten.
Die Wahrscheinlichkeit anomaler Bedeckungen erreichte ihren Höhepunkt während des Perseidenschauers im August (a). "Das bestätigte unseren Verdacht, dass die meisten Staubwolken durch einen Einschlag verursacht wurden", so Khodachenko. Die zusätzlich entdeckte halbmonatliche Periodizität (b) deutet jedoch auf einen ergänzenden Mechanismus der Staubaufwirbelung hin, der mit den Gezeiteneffekten der Sonne zusammenhängt. Diese können Phänomene wie die Ausgasung des Mondinneren und/oder das Absacken von Kraterrändern auslösen und bis zu einem bestimmten Grad für die Staubwolkenbildung in niedriger Höhe verantwortlich sein.
Grobe Schätzungen der Staubkonzentrationen in den entdeckten kompakten Wolken in geringer Höhe und deren Abbremsungseffekt für Raumsonden zeigen, dass schon ein einziger Vorbeiflug an solchen Staubformationen zu einem kritischen Höhenverlust einer absteigenden Mondlandefähre oder einer niedrig fliegenden Raumsonde führen kann. Darüber hinaus kann der Durchflug von Raumsonden durch dichte Staubwolken zu einer Verunreinigung der Instrumente und mechanischen Systeme an Bord führen, was wiederum Fehlfunktionen zur Folge haben kann.
Why space research matters
"Wir hoffen, dass zukünftige Mondmissionen von unseren Analysen profitieren und die Chancen auf Erfolg erhöhen", schließt Khodachenko. "Aus wissenschaftlicher Sicht ist das Gelingen jeder Mondmission mehr als wünschenswert, weil der Mond noch viele Rätsel birgt, deren Lösung uns neue Erkenntnisse über die Entstehung der Erde bringen würde", fasst IWF-Direktorin Christiane Helling zusammen.
Publikation
M.L. Khodachenko und O.V. Arkypov: Detection of low-altitude cislunar dust with the Lunar Occultation Archive, Geophysical Research Letters, doi.org/10.1029/2024GL111606, 2025.
Kontakt Dr. Maxim Khodachenko T +43 316 4120-661 maxim.khodachenko@oeaw.ac.at