3 ERC Starting Grants für die Universität Wien
3 ERC Starting Grants, die mit je rund 1,4 bis 1,7 Millionen Euro dotiert sind, gehen an die Universität Wien: Historikerin Eva-Maria Muschik, Mikrobiologin Megan Sørensen und Geschichtssoziologin Agata Zysiak erhalten die prestigeträchtige Förderung für ihre Forschung. Damit wurden insgesamt bereits 155 ERC Grants an die Universität Wien vergeben. Mit dem Programm des Europäischen Forschungsrats (European Research Council, ERC) wird grundlagenorientierte Pionierforschung mit hohem Innovationspotenzial ermöglicht.
Wendepunkt des "Nord-Süd-Konflikts" neu beleuchtet
Maßnahmen wie Deregulierung, Privatisierung und Liberalisierung (sogenannte Strukturanpassungen) wurden historisch - vor dem Hintergrund von wirtschaftspolitischen Zwängen und Schocks - oft als alternativlos dargestellt. Tatsächlich war diese Politik aber heftig umstritten. In ihrem ERC geförderten Projekt Shockage untersucht die Historikerin Eva-Maria Muschik die globale Geschichte der "Strukturanpassung" in den 1980er Jahren.
Dabei werden Auseinandersetzungen auf verschiedenen Ebenen analysiert: zwischen Staaten (v.a. mit Blick auf die "Gruppe der 77", einem Zusammenschluss von Staaten des Globalen Südens innerhalb der UN) in internationalen Finanzinstitutionen (Weltbank und Internationaler Währungsfonds, die als Verfechter der Strukturanpassung nachhaltig in Kritik gerieten), auf nationaler Ebene in Bolivien (das als globales Paradebeispiel für diese Politik gehandelt wurde) sowie in aktivistischen Kreisen in Ost- und Westdeutschland (als Vorlauf der Globalisierungskritik der 1990er und 2000er Jahre). Dabei geht es um die Handlungsspielräume unterschiedlicher Akteure und die Alternativen, die formuliert und diskutiert wurden. So soll ein wichtiger Wendepunkt in der jüngeren Zeitgeschichte und der Geschichte des "Nord-Süd-Konflikts" neu beleuchtet und besser verstanden werden.
Über Eva-Maria Muschik
Eva-Maria Muschik ist Historikerin und derzeit Assistenzprofessorin am Institut für Internationale Entwicklung der Universität Wien. Sie befasst sich mit der Geschichte von Entwicklung, Dekolonisation und internationaler Kooperation. Muschik schloss 2016 ihre Promotion zur Frühgeschichte der Vereinten Nationen (UN) an der New York University ab. Nach Stipendien an der Yale University (2015/2016) und dem Europäischen Hochschulinstitut in Florenz (2016/2017), lehre sie an der an der Freien Universität Berlin und der Universität Bern. Zuvor erhielt sie ein Sommerforschungsstipendium vom History & Political Economy Project der Johns Hopkins University (2022), einen "International Research Award in Global History" von den Universitäten München, Basel und Sydney (2018) sowie ein "History Project Research Grant" vom Institute for New Economic Thinking der Universitäten Harvard und Cambridge (2015).
Schlüsselphasen in der Evolution von Endosymbiosen
Mikroorganismen waren entscheidend in der Evolution des Lebens und spielen eine wichtige Rolle in Ökosystemen. In ihrem ERC geförderten Projekt TRANSITIONS untersucht die Mikrobiologin Megan Sørensen, wie eng vernetzte Interaktionen zwischen Mikroorganismen entstehen und sich im Laufe der Zeit weiterentwickeln. Dabei untersucht sie Partnerschaften von Protisten, die sich an kritischen Wendepunkten ihrer evolutionären Integration befinden. Insbesondere die Paramecium-Chlorella-Endosymbiose, die zur Untersuchung der anfänglichen Integration unabhängiger Partner in eine Endosymbiose genutzt werden kann, und Paulinella chromatophora, die einzigartige Einblicke in den Übergang vom Endosymbionten zum Organell liefert. Sørensen möchte die molekularen Grundlagen dieser Beziehungen mithilfe verschiedener Techniken aufdecken: von modernsten Technologien zur Visualisierung von Molekülen innerhalb einer einzelnen Zelle bis hin zu Feldproben, um diese Organismen in der Natur zu beobachten. Ihre Arbeit wird Licht auf grundlegende Evolutionsprozesse werfen, die Ökosysteme und das Leben auf der Erde bis heute prägen.
Über Megan Sørensen
Die Mikrobiologin Megan Sørensen promovierte an der Universität Sheffield (Großbritannien) und arbeitete als Postdoktorandin an den Universitäten Stockholm und Uppsala (Schweden). Anschließend war sie mit einem EMBO-Stipendium und einem Marie-Skłodowska-Curie-Stipendium an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf tätig. Ihre bisherigen Forschungsergebnisse hatten weitreichende Auswirkungen auf die Bereiche Endosymbiose und Plastidenevolution und waren führend bei der Nutzung protistischer Modellsysteme in diesen Bereichen. Megan Sørensen kommt 2026 an das Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft der Universität Wien.
Soziale Mobilität in Osteuropa nach 1945
In ihrem ERC geförderten Projekt CLASS-UP untersucht die Geschichtssoziologin Agata Zysiak soziale Mobilität - also den Wechsel sozialer Positionen in der Gesellschaft - in osteuropäischen sozialistischen Staaten nach 1945. Im Gegensatz zu den gut untersuchten westlichen Kontexten wird in dieser qualitativen Vergleichsstudie der Fokus darauf gelegt, wie staatssozialistische Systeme besondere Formen der sozialen Mobilität geschaffen haben. CLASS-UP untersucht, wie Aufwärtsmobilität im Sozialismus definiert, verstanden und erlebt wurde, wobei nicht nur messbare Indikatoren, sondern auch die kulturellen, politischen und sozialen Bedeutungen, die der Mobilität zugeschrieben wurden, im Vordergrund stehen. Durch die Kombination von Analysen offizieller Diskurse, Presseberichten, soziologischen Studien und einer innovativen generationsübergreifenden biografischen Methode will die Zysiak aufdecken, wie Mobilität die Familiengeschichten über Generationen hinweg geprägt hat, einschließlich der Weitergabe von Privilegien und den sozialen Kosten des Aufstiegs.
Über Agata Zysiak
Agata Zysiak ist Geschichtssoziologin und hat sich in ihrer Forschung auf die Sozialgeschichte Osteuropas, sozialen Aufstieg und Biografieforschung spezialisiert. Seit 2021 ist sie am Forschungszentrum für Transformationsgeschichte (RECET) der Universität Wien tätig. Außerdem ist sie Lehrbeauftragte an der Universität Łódź (Polen). Zuvor arbeitete sie an der Universität Warschau, an der Wayne State University in Detroit, der University of Michigan in Ann Arbor, der CEU und der Freien Universität Berlin. 2017/18 war Zysiak Mitglied der Social Science School am Institute for Advanced Study in Princeton.
Pressekontakt Alexandra Frey Media Relations, Universität Wien 1010 Wien, Universitätsring 1 T +43-1-4277-175 33 M +43-664-8175675 alexandra.frey@univie.ac.at www.univie.ac.at
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