Alte DNA offenbart Neues über Ursprung von Ungarisch, Finnisch und Co
Auf Basis von Analysen der DNA von 180 Menschen, die vor Jahrtausenden in der Großregion vom Uralgebirge bis nach Zentralsibirien lebten, haben Wissenschafter neue Anhaltspunkte zur Ausbreitung zweier Sprachfamilien gefunden. Demnach dürfte sich jene Gruppe, deren Nachfahren später die uralischen Sprachen auch nach Finnland, Ungarn oder Estland brachten, vor 4.500 bis 3.200 Jahren in Sibirien formiert und dann gen Westen orientiert haben, heißt es im Fachblatt "Nature".
Uralische Sprachen werden heute vom Norden Russlands über Teile des Baltikums und Skandinaviens bis nach Ungarn und ins Burgenland hinein gesprochen. Die Verbindung von genetischen Daten und sprachwissenschaftlichen Theorien hat sich in den vergangenen Jahrzehnten als aufschlussreich entpuppt, wenn es darum geht, die historische und heutige Verbreitung von Sprachen zu erforschen.
Mit alter DNA Jahrtausende zurückblicken
Ein internationales Team um die Co-Erstautoren der Studie, Leonid Vyazov von der Universität Ostrau (Tschechien), Ron Pinhasi von der Universität Wien und David Reich von der Harvard Medical School (USA) hat dies nun in Bezug auf die uralische und die jenisseische Sprachgruppe versucht. Letztere war früher in Sibirien weit verbreitet, wird heute aber nur noch von einer Handvoll Menschen tatsächlich verwendet.
Das untersuchte Erbgut stammt von 180 Individuen, die von der Steinzeit vor rund 11.000 Jahren bis zur Bronzezeit vor rund 4.000 Jahren gelebt haben. "Eine Sprache lässt sich nicht direkt aus Genomen ablesen, aber wenn genetische Abstammung, archäologischer Kontext und Sprachgeografie zusammenkommen, sind fundierte Rückschlüsse möglich", wird Vyazov in einer Aussendung der Uni Wien zitiert.
Spuren noch heute nachweisbar
Aus den Jäger-Sammler-Gemeinschaften, die die riesige Region in der mittleren und späten Steinzeit bewohnten, kristallisierten sich demnach zwei Gruppen heraus, die die Forscherinnen und Forscher mit den beiden Sprachfamilien in Verbindung bringen. Eine davon ist die "Jakutien"-Population, die erstmals vor rund 4.500 Jahren im Nordosten Sibiriens nachweisbar ist, schreiben die Wissenschafter in ihrer Arbeit. Genetische Spuren dieser Menschen lassen sich demnach noch heute bei Sprechern uralischer Sprachen im Ostsee-Raum nachweisen. Die Jakutien-Gruppe dürfte also über Westsibirien bis nach Osteuropa gekommen sein.
Auf dem Weg in Richtung Westen haben sie auch Spuren in der sogenannten "Seima-Turbino-Kultur" hinterlassen. Charakteristisch für selbige sind Bronze-Artefakte, deren Fertigungsweise vermutlich im Bereich des Altai-Gebirges in Zentralasien entwickelt wurde. Vor gut 4.000 Jahren breitete sich diese Art der Metallverarbeitung dann in relativ kurzer Zeit auch Richtung Nord- und Osteuropa aus, wie ähnlich gestaltete Werkstücke, etwa Speerspitzen, zeigen.
Uralter kultureller Schmelztiegel?
An den Orten in Zentralasien, wo diese Kultur zuerst auftauchte bzw. diese Form der Metallurgie entwickelt wurde, waren laut den neuen DNA-Analysen neben den Jakutiern auch Vertreter vieler anderer Gruppen sehr präsent. Über einige Generationen hinweg dürfte dort ein gesellschaftliches Klima geherrscht haben, das es Menschen sehr verschiedener Herkunft und mit sehr unterschiedlichen kulturellen Hintergründen erlaubte, Verbindungen einzugehen, schreiben die Studienautoren. Aus dieser Zeit könnten auch uralte Lehnwörter aus indo-iranischen Sprachen stammen, die noch immer in uralischen Sprachen zu finden sind.
Den Ursprung der heute kaum mehr präsenten jenisseischen Sprachgruppe bringen die Forscherinnen und Forscher mit einer Gruppe in Verbindung, die sie "Cis-Baikal" nennen. Sie tauchte vor 5.100 bis 3.700 Jahren auf und war offenbar für längere Zeit prägend für viele Völker Sibiriens.
Service: https://dx.doi.org/10.1038/s41586-025-09189-3
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