Weltraum-Quantencomputer aus Österreich: "Schaut alles gut aus"
Der von Physikern der Universität Wien entwickelte erste Quantencomputer im Weltraum hat den Start vor knapp vier Wochen gut überstanden: "Bisher schaut alles gut aus, die Systeme funktionieren, jedes Bauteil hat gemeldet, dass es lebt", erklärte der Quantenphysiker und Projektleiter Philip Walther zur APA. Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter hoffen, in den nächsten zwei bis drei Wochen die ersten Experimente starten zu können.
Der photonische Quantencomputer wurde am 23. Juni von der Vandenberg Space Force Base in Kalifornien (USA) als Teil der Satellitenplattform "ION" mit einer "Falcon 9"-Rakete von SpaceX ins Weltall gestartet. Der Satellit umkreist in einer Höhe von 550 Kilometern die Erde. Walther zeigt sich "sehr stolz" über den in Österreich entwickelten ersten Quantencomputer im Weltraum: "Wir haben die Grenzen der aktuellen photonischen Technologien erweitert, um ein vielseitiges Werkzeug für die Durchführung von Quantenexperimenten unter den extremen Bedingungen einer Weltraummission zu schaffen", wird er in einer Aussendung der Uni zitiert.
Photonische Quantencomputer sind robust
Quantencomputer sollen künftig komplexe Berechnungen schneller als klassische Rechner erledigen. Dafür macht man sich in sogenannten Quantenbits (Qubits), der elementaren Informationseinheit eines Quantencomputers, quantenphysikalische Phänomene zunutze. Solche Qubits können auf verschiedene Weise realisiert werden. Photonische Quantencomputer nutzen dafür Lichtteilchen (Photonen). "Nur diese sind aus meiner Sicht so zu bauen und robust genug, um sie den extremen Bedingungen beim Start einer Rakete und im Weltraum auszusetzen", sagte Walther.
"Wir bekamen 2023 das Angebot des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) für einen gratis Platz auf einem Satelliten und haben extrem naiv zugesagt, einen Quantencomputer mitzuschicken. Dann haben wir mit Erschrecken festgestellt, dass uns niemand die notwendigen Bauteile mit einer Garantie fürs Funktionieren im Weltall herstellen kann", erinnert sich der Physiker. Also beschloss das zehn Personen umfassende Team um Walther, alles selbst herzustellen und sich zusätzlich noch die für eine Weltraummission notwendigen Fähigkeiten anzueignen - "im Schichtdienst von Montag bis Sonntag 24 Stunden am Tag".
"Atemberaubende Technologie"
Nachdem aus dem ursprünglichen Angebot nichts wurde und Alternativen in der Europäischen Raumfahrt dem Forschungsteam zu lange erschienen, entschlossen sie sich, das Projekt im kommerziellen Satellitengeschäft als Payload auf dem ION-Satelliten zu realisieren. "Wir haben das in 1,5 Jahren geschafft und dabei Technologie entwickelt und patentiert, die atemberaubend ist", so Walther.
Im Labor benötigen die Komponenten und Aufbauten eines solchen Quantencomputers einen Experimentiertisch mit einer Größe von dreimal einem Meter, Schwingungsabsorption und viel Energie. Das Team um Walther hat es in der extrem kurzen Zeit geschafft, alle notwendigen Bauteile - von der Einzelphotonenquelle über den Quantenchip bis zu Detektoren in einen schuhschachtelgroßen Zylinder mit den Maßen 150 x 150 x 453 Millimeter und einem Gewicht von 9,5 Kilogramm zu packen. Zudem musste das Gerät sehr energieeffizient sein und mechanische Belastung beim Start von bis zur 1000-fachen Erdanziehungskraft sowie Temperaturschwankungen von plus 70 bis minus 30 Grad Celsius aushalten.
"Coole Experimente" geplant
Nun wollen die Wissenschafterinnen und Wissenschafter testen, welche Möglichkeiten die Quantentechnologie im Weltraum bietet und welche Aufgaben sie dort unterstützen kann. "Wir planen coole Experimente da oben", sagte Walther. Er will aber noch nicht viel davon verraten, weil die Ergebnisse in Top-Journalen publiziert werden sollen. Ein Beispiel, in welche Richtung es gehen könnte, zeigt die Verbindung des Quantencomputers mit der Bordkamera des Satelliten. Das könnte auf potenzielle Anwendungen im Bereich der Erdbeobachtung hindeuten.
Im Rahmen des Projektes arbeiteten das Forschungsteam der Uni Wien mit dem DLR, dem Nationalen Forschungsrat (CNR) in Mailand, dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und dem Wiener Start-up Qubo Technology zusammen.
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